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# taz.de -- Eine andere Dimension von Tennis
> Ähnlich schnell wie Rafael Nadal qualifiziert sich auch Novak Djokovic
> für das Endspiel der Australian Open. Ihre grandiose Form weckt
> Erinnerungen an ein ganz besonderes Spektakel
Bild: Fast immer eine Antwort parat: Djokovic schlägt die Bälle auch gegen Po…
Aus Melbourne Doris Henkel
Wie soll man Novak Djokovic aufhalten, wenn er in knapp anderthalb Stunden
nur fünf unerzwungene Fehler macht? Es war ein Ding der Unmöglichkeit für
den französischen Außenseiter Lucas Pouille. Im Expresstempo und mit
atemberaubender Präzision rauschte Djokovic am Freitagabend in Melbourne
durch das Spiel, und wenn es nicht diese andere Halbfinalpartie gegeben
hätte, dann müsste man sagen, er sei der große Favorit für das Finale der
Australian Open. Denn hatte Rafael Nadal, gegen den er Sonntag um den Titel
spielen wird, nicht in ähnlich dominanter Form am Tag zuvor gegen Stefanos
Tsitsipas gewonnen? Hatte er, und deshalb sprach der Serbe die einzig
richtige Empfehlung aus: „Sie sollten unbedingt eine Karte für das Spiel
kaufen, falls Sie noch keine haben.“
Um zu wissen, wie gut Rafael Nadal dieser Tage in Form ist, musste man nach
dem ersten Halbfinale nur einen Blick auf Tsitsipas werfen. Der war
sichtlich erschüttert und meinte, er habe keine Ahnung, was er als
Erkenntnis aus diesem Match mitnehmen solle. „Ich war nicht mal in der
Nähe, irgendwas mitnehmen zu können. Es war eine andere Dimension von
Tennis, die er gespielt hat. Ich kam mir vor wie ein Zwei-Meter-zehn-Mann,
der sich nicht bewegen kann.“ Und um zu wissen, welche Bedeutung der Sieg
für den anderen hatte, genügte ein Blick auf Nadal beim Weg durch die
Katakomben, vorbei an den Namen der früheren Sieger. Wie er, versonnen
lächelnd und in sich versunken, durch diesen Gang ging und dabei aussah wie
einer, der von einem Rendezvous mit der wiederaufgetauchten ersten großen
Liebe kommt. Es soll ja keiner glauben, solche Siege und solche Abende
könnten je Normalität für die Großen des Tennis sein.
Als sich Novak Djokovic auf die Partie gegen Lucas Pouille vorbereitete,
gönnte sich der Spanier mit Freunden einen Ausflug in die Bucht nach St
Kilda. Normalerweise hat es nichts mit Chancengleichheit zu tun, wenn der
eine Kandidat zwei Tage zur Vorbereitung auf das letzte Spiel des Turniers
hat, der andere hingegen nur einen. Aber diesmal macht es fast keinen
Unterschied, weil Djokovic genauso schnell gewann wie Nadal am Tag zuvor.
Pouille wirkte nicht so schockiert wie Tsitsipas, doch auch er sprach
hinterher von einem Gefühl kompletter Hilflosigkeit.
Novak Djokovic und Rafael Nadal, so viel steht fest, gehen in grandioser
Form in das letzte Spiel. Und bei dieser Konstellation ist es schwer, nicht
in Erinnerungen an das grandiose Finale der beiden im Jahr 2012 zu
schwelgen. Nicht nur, weil kein Spiel um den Titel eines
Grand-Slam-Turniers je länger dauerte, sondern vor allem, weil jene 5
Stunden und 53 Minuten damals bis zum Rand gefüllt waren mit kaum
glaublichen Ballwechseln, phänomenaler Athletik und Emotionen nahe dem
Siedepunkt. Die Zuschauer auf den Rängen schnappten nach Luft, weil die
Spannung kaum mehr auszuhalten war, und irgendwie war es ein passender
Schluss, als sich Djokovic nach dem entscheidenden Punkt das Hemd vom
Körper riss, nachts um halb zwei. „Ich weiß nicht, ob ich das gut erklären
kann“, sagte Nadal damals hinterher, „aber wenn du fit bist, wenn du
Leidenschaft hast, wenn du für die Herausforderung bereit bist, dann bist
du in der Lage, alles auszuhalten. Ich habe gelitten während dieses Spiels,
aber ich habe es genossen, jede einzelne schwierige Situation.“ Als
Djokovic den Melbourne Park damals auf heiß gelaufenen Füßen verließ,
dämmerte der Morgen.
Seit 13 Jahren begegnen sich der Serbe und der Spanier auf allen Turnieren
der Welt, doch das legendäre Finale 2012 steht kurioserweise als einzige
gemeinsame Begegnung in Melbourne zu Buche. In der Bilanz führt Djokovic
mit 27:25, löst man allerdings die Spiele bei den Grand-Slam-Turnieren
heraus, sieht die Sache für Nadal deutlich besser aus – da führt er 9:5.
Eine andere, auf die Australian Open bezogene Tendenz spricht hingegen
wieder deutlich für Djokovic, der von sechs Endspielen in der Rod Laver
Arena kein einziges verlor; vier gewann er gegen Andy Murray, das erste
anno 2008 gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga, dazu den Klassiker gegen
Nadal. Der stand viermal im Finale und gewann nur das erste, vor zehn
Jahren gegen Roger Federer, der danach in Tränen aufgelöst auf dem Podium
stand und erst wieder halbwegs zu sich fand, nachdem ihn der Sieger
getröstet hatte. Auch das eine Erinnerung aus der prall gefüllten
Schatzkiste einer großen Generation.
26 Jan 2019
## AUTOREN
Doris Henkel
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