# taz.de -- heute in bremen: „Somit haben Frauen einen anderen Blick“ | |
Interview Moritz Warnecke | |
taz: Frau Leyendecker, wie sind Sie Fahrradktivistin geworden? | |
Katja Leyendecker: Ich lebe seit 1996 in Newcastle und fahre dort | |
regelmäßig mit dem Rad. In England sind Radfahrer*innen die absolute | |
Minderheit. Es gibt fast keine abgetrennten Radwege. Man muss im stressigen | |
und gefährlichen Mischverkehr fahren. Deshalb haben eine Freundin und ich | |
beschlossen, uns für Radwege einzusetzen. 2015 habe ich dann auch | |
wissenschaftlich zu dem Thema Frauen, Radfahren und Raumgestaltung | |
gearbeitet und eine Dissertationsstelle an der Northumbria University | |
angenommen. | |
Was kam bei Ihren Forschungen heraus? | |
Im Verlauf unseres Engagements war auffällig, dass in der Aktivistenszene | |
vorrangig Männer aktiv sind. Die fordern zwar mehr Rechte für | |
Radfahrer*innen im Straßenverkehr, aber meist keine Veränderung des | |
öffentlichen Raums. Mit unserer Forderung standen wir ziemlich alleine da. | |
Frauen machen immer noch vorrangig die häusliche Versorgungsarbeit: Kinder, | |
Haushalt, Einkaufen, Elternbetreuung, Teilzeitarbeit. Es ändert sich leider | |
nur sehr langsam. Frauen legen mehr Wege zurück. Dieser andere | |
Ausgangspunkt von Frauen braucht andere Gestaltung – der Anspruch an den | |
Raum ist ein anderer. Mit Kindern radzufahren oder Kinder Radfahren zu | |
lassen, bedarf einfacher, bequemer und sicherer Radwege. Somit haben Frauen | |
einen anderen Blick und das wollte ich in meinem Erfahrungsbericht | |
mitteilen. Diese Stimmen müssen gehört werden. | |
Sie haben Newcastle mit Bremen verglichen. Warum? | |
Erstmal, weil sich die beiden Städte in der Fläche und Einwohnerzahl | |
vergleichen lassen. Darüber hinaus hat Bremen, wenn man sich alle Städte | |
über 500.000 Einwohner anguckt, den größten Radverkehr in Deutschland und | |
bildet so ein Gegenbeispiel zu Newcastle. | |
Ist Bremen also ein Paradies für Radfahrer? | |
Aus Newcastle-Perspektive klar, aber es müssen auch in Bremen Dinge | |
verbessert werden. Nach oben ist noch Luft. Kopenhagen und Amsterdam | |
machen es uns vor. Ich werde nervös, wenn ich lese und erlebe, dass Radwege | |
hier abgebaut werden und laut Städtevergleich der Radverkehrsanteil langsam | |
abnimmt. Ich sehe da einen Zusammenhang. Wie vielerorts orientiert sich | |
auch die Raumplanung in Bremen eher an dem Konzept der Autostadt. Es geht | |
um Verkehrsflüsse und nicht um Aufenthalts- oder Lebensqualität. Dabei hat | |
das Auto gar nicht mehr diesen großen Stellenwert. In Bremen werden zum | |
Beispiel 24 Prozent aller Wege mit dem Rad bestritten, dazu kommt noch die | |
Nutzung der Öffis. Darauf müssen wir die Leute, Politik und Verwaltung, als | |
Aktivistinnen aufmerksam machen. | |
16 Jan 2019 | |
## AUTOREN | |
Moritz Warnecke | |
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