Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Autofahrer in Bewegung
> Mit einer Petition gegen höhere Spritsteuern fing es an. Im November und
> Dezember protestierten Hunderttausende Franzosen in gelben Westen.
> Priscilla Ludosky ist eines der Gesichter der Gilets jaunes
Bild: Pflicht-Accessoire in jedem französischen voiture: die gilet jaune
Aus Paris Romy Straßenburg
Tausende, Zehntausende Franzosen, gehüllt in gelbe Warnwesten. Wochenlang
standen sie an Kreisverkehren im ganzen Land und zogen durch die Städte.
Eine Bewegung, die über politische Grenzen hinweg jene Franzosen vereint,
die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen.
Seit Mitte November beherrschen die Gelbwesten das Land und haben Präsident
Macron bereits zur Rücknahme der geplanten Kraftstoffsteuererhöhung
gezwungen. Ausdauer und Entschlossenheit haben die Gilets jaunes gezeigt.
Und das fast ohne herausstechende Gesichter: Leute, die als Individuen
hervortreten, sind rar in dieser Bewegung
Aber es gibt sie. Eine davon ist Priscilla Ludosky. Bereits im Mai stellte
die 33-Jährige, die im Pariser Umland Bio-Kosmetika vertreibt, eine
Petition online, in der sie eine neue Preispolitik für Diesel und Benzin
forderte. Ludosky ist auf ihr Auto angewiesen und empfand die geplante
Steuererhöhung als eine weitere Zumutung der Macron-Regierung, deren
Maßnahmen bislang nur den Reichen zugutegekommen seien.
Ende Oktober bekam die Petition auf einmal mehr und mehr Aufmerksamkeit,
wurde unzählige Male geteilt. Mitte November hatte sie über eine Million
Unterzeichner. Am 17. November entlud sich die Wut: Im ganzen Land kam es
zu Straßensperren, insgesamt rund 2.000. Hunderttausende protestierten,
organisiert über soziale Medien. Auch das Symbol der Bewegung wurde so
geschaffen: In einem Facebook-Post hatte ein anderer Autofahrer, der
36-jährige Gislain Coutard aus Narbonne, die Idee lanciert, die gelbe Weste
– die Pflicht in jedem französischen Auto ist – als Erkennungszeichen zu
nutzen.
Priscilla Ludoskys Eltern stammen aus dem französischen Überseedepartement
Martinique. Auch das ist ungewöhnlich an den Gilets jaunes: Eine schwarze
Frau als Sprecherin einer Bewegung, die eher das ländliche, das heißt
überwiegend weiße Frankreich anspricht. Und einer Bewegung, die in Teilen
als rassistisch beschrieben wurde.
Aber der Aufstand lässt sich schwer in Schubladen stecken. Auch in keine
politische, denn vielen Gelbwesten geht es so wie Priscilla Ludosky:
Bislang war sie weder in einer Partei noch in einer Gewerkschaft oder einem
Verein engagiert. Politisch vereinnahmen lassen will sie sich nicht, auch
wenn Vertreter verschiedener politischer Lager darum baten, neben ihr auf
der Straße demonstrieren zu dürfen, um vom Medienhype zu profitieren.
So steht Ludosky nun im Mittelpunkt einer der größten politischen Krisen
der fünften Republik. Sie gab Dutzende Interviews, verfasste Texte für die
Website der Gilets jaunes, teilte Links, Kommentare und Ankündigen auf
Facebook. Auf Einladung von François de Rugy, Minister für die
Energiewende, durfte sie ihre Anliegen der Regierung vortragen.
Auch nach der Rücknahme der geplanten Steuer Anfang Dezember blieb sie auf
der Straße. Sie setzt sich nun für das RIC ein, das Réferendum d’initiative
citoyenne – für mehr direkte Demokratie durch Referenden, auf Grundlage von
Petitionen, die mindestens 700.000 Unterschriften haben.
Als Ludosky am 15. Dezember bei den Pariser Protesten den fünften Samstag
in Folge mitmarschierte und auf der Place de l’Opéra die neuen Forderungen
der Gelbwesten verlas, jubelten ihr Hunderte Anhänger zu. Es scheint, als
bräuchten auch die Protestierenden ein Gesicht – nicht nur die
Journalisten. Die standen anschließend Schlange, um ein Interview mit
Ludosky zu ergattern. Schon jetzt hat sie Geschichte geschrieben. Fast eine
Heldinnengeschichte.
29 Dec 2018
## AUTOREN
Romy Straßenburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.