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# taz.de -- altersarmut: Mehr Rente für die Frauen
> Trotz der Reformen der Großen Koalition liegt Deutschland beim Thema
> geschlechtergerechte Renten immer noch weit zurück. Was wäre zu tun?
Fast 70 Jahre nach der Verankerung im Grundgesetz müssen Frauen in
Deutschland noch immer um Gleichberechtigung streiten. Zwar haben sie in
Bildung und Beschäftigung gegenüber den Männern erheblich aufgeholt. Bei
den Löhnen liegen sie aber immer noch bis zu einem Viertel und bei den
Renten sogar um über die Hälfte zurück. Dazu trägt auch bei, dass sie immer
noch über 50 Prozent mehr an unbezahlter Familien- und Pflegearbeit
leisten.
Daran wird auch die jetzt beschlossene erneute Rentenreform der Großen
Koalition wenig ändern. Verbesserungen gibt es zwar dadurch, dass der Fall
des Rentenniveaus bei den derzeitigen 48 Prozent angehalten und die
Beiträge auf 20 Prozent begrenzt werden sollen. Dies spielt vor allem für
Frauen eine bedeutende Rolle, da sie auf die gesetzliche Rente angewiesen
sind und wenig Anteil an betrieblichen und sonstigen Zusatzrenten haben.
Dabei greift die Groko wieder einmal zu kurz, zumal die Haltelinie bei
Rentenniveau und Beiträgen nur bis 2025 gilt, die drohende Altersarmut
jedoch erst danach so richtig in Gang kommt. Richten soll es wieder einmal
eine Rentenkommission mit dem vielversprechenden Namen „Verlässlicher
Generationenvertrag“. Deren Ergebnisse sollen noch zum Ende dieser
Legislaturperiode vorliegen.
Ändern wird sich auch nichts an dem grundlegenden Problem, dass die soziale
Rentenversicherung nach wie vor am Modell des Mannes als Alleinverdiener
ausgerichtet ist. Dies wird den Veränderungen der gesellschaftlichen,
wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen sowie des familiären und
partnerschaftlichen Zusammenlebens immer weniger gerecht. Die dringend
erforderliche Neuorientierung muss zunächst einmal an dem Konzept der
Arbeit ansetzen. Zwar haben die Frauen in der Erwerbsarbeit erheblich
aufgeholt, wenn auch zu schlechteren Bedingungen. Darüber hinaus spielt für
die Frauen die unbezahlte Sorgearbeit in den Familien bis zu Ehrenämtern in
der Gesellschaft eine bedeutende Rolle. Hierfür ist auch eine Aufstockung
der Renten vorzusehen.
Die Mütterrenten I und II, wonach auch für die vor 1992 geborenen Kinder
zusätzliche Rentenpunkte gewährt werden, sind nur eine halbherzige Lösung.
Zum einen fehlen an einer Gleichstellung mit 3 Rentenpunkten immer noch 0,5
Prozent. Zum anderen ist deren Finanzierung ein erneuter Raubzug der
Bundesregierung in die derzeit gut gefüllten Kassen der Beitragszahler,
obwohl es sich um eine gesamtgesellschaftliche Leistung handelt, die aus
allgemeinen Steuern zu finanzieren ist. Da die Mütterrente auf die
Grundsicherung im Alter angerechnet wird, werden am wenigsten die Frauen
etwas davon haben, die dies am dringendsten brauchen.
Auferstehung feiern derzeit auch so radikale Konzepte wie die verschiedenen
Variationen eines bedingungslosen Grundeinkommens, das allen Bürgern ohne
Arbeit gewährt werden soll. Je nach Interessenlage ertönen sie von potenten
Wirtschaftsmagnaten, hochdotierten neoliberalen Wissenschaftlern bis zu
sozial Verpflichteten in Politik und Verbänden. Soweit dies mit der Aufgabe
der im Grundgesetz geschützten Sozialversicherungssysteme verbunden ist,
besteht die Gefahr weiterer Absenkungen auch der Renten auf ein
Mindestniveau. Zu nennen sind ebenfalls die wieder hervorgeholten
Vorschläge, die Beiträge zur Rentenversicherung nach Kinderzahl zu
staffeln. Auch dies bedeutet eine weitere Gefährdung von Finanzierung und
Akzeptanz der solidarischen Rentenversicherung. Familienpolitik ist eine
Aufgabe des allgemeinen Steuersystems und muss es auch bleiben.
Gerade für die Frauen unerlässlich ist die schon in mehreren
Koalitionsvereinbarungen versprochene armutsfeste Rente. Zusätzlich zu der
Aufwertung von Niedrigrenten müssen bei der Grundsicherung im Alter
Freibeträge für eigene erworbene Rentenansprüche eingeführt werden.
Zielsetzung muss sein, dass RentnerInnen mit langjähriger Erwerbstätigkeit
in Niedriglöhnen eine Altersrente beziehen, die etwa 20 Prozent über der
Armutsrente liegt. Dies wäre bei Weitem besser als die von der Groko
vorgesehenen Modelle von Lebensleistungsrenten, die viel zu hohe Hürden
insbesondere bei der beitragspflichtigen Beschäftigung für die Frauen
aufbauen.
Ein Paradigmenwechsel ist auch in der Arbeitsmarktpolitik erforderlich. Mit
der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes ist ein wichtiger Schritt bei
der Reregulierung auf dem Arbeitsmarkt gelungen. Erforderlich ist
allerdings eine wesentliche Erhöhung – auf inzwischen weit über 12 Euro die
Stunde –, um Armut bei Arbeit und im Alter zu verhindern. Für Frauen
besonders wichtig ist die Bekämpfung der – zahlenmäßig auf über 7 Million…
explodierten – Minijobs als eine der wesentlichen Ursachen für Armut bei
Arbeit und im Alter.
Erforderlich ist eine geschlechtergerechte Vereinbarkeit von Beruf und
Privat- beziehungsweise Familienleben. Dazu brauchen alle Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer echte Arbeitszeitsouveränität. Dies erfordert geeignete
Maßnahmen auf der betrieblichen wie gesetzlichen Ebene – wie das Recht auf
Teilzeit sowie die Rückkehr in Vollzeit für alle Beschäftigten, unabhängig
davon, wie viele in einem Betrieb arbeiten. Erforderlich ist weiterhin die
Verpflichtung aller Unternehmen, ihre Entgeltpraxis regelmäßig zu
überprüfen und geschlechtergerecht zu gestalten.
Die Sisyphusarbeit für eine zukunftsfeste Alterssicherung für Männer und
Frauen ist bei Weitem lohnender als vermeintliche Patentrezepte eines
bedingungslosen Grundeinkommens. Überfällig ist außerdem die Verbreiterung
der Solidarität in der gesetzlichen Rentenversicherung um alle
Erwerbstätigen. Dass dies mit sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit
funktionieren kann, beweist die gesetzliche Rentenversicherung in
Österreich mit annähernd doppelt so hohen Renten für Männer – und Frauen.
14 Dec 2018
## AUTOREN
Ursula Engelen-Kefer
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