# taz.de -- die drei fragezeichen: „Es ist keine Leiter“ | |
Unter dem Hashtag #unten hat Der Freitag eine Kampagne gegen soziale | |
Diskriminierung initiiert. Ein rundum gute Sache? Fragen an den | |
Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch | |
taz: Herr Stefanowitsch, was verbinden Sie mit den Worten „unten“, was mit | |
„oben“? | |
Anatol Stefanowitsch: Die ganze Metaphorik von „oben“ und „unten“ ist | |
interessant. Das Wort „unten“ ist immer schlechter konnotiert. Wenn man | |
unten ist, ist man kleiner. Also in einer ungünstigen Position. Und wenn | |
man „oben“ ist, ist das positiv. Viele Begriffe sind problematisch. „Sozi… | |
schwach“ zum Beispiel wird oft als Euphemismus für „wenig Geld“ verwende… | |
Der Ausdruck versteckt die Tatsachen, die zu diesem Zustand führen. Bei dem | |
Wort „schwach“ klingt es so, als wäre die Person schwach und nicht die | |
Struktur. Das ist wie bei dem Wort „Behinderung“. Es wird der Person als | |
Eigenschaft zugeschrieben. Dabei ist es die Gesellschaft, welche die Person | |
behindert und Barrieren aufbaut. Bei „unten“ und „oben“ entsteht das Bi… | |
einer sozialen Leiter, auf die man hinaufklettern kann, wenn man sich nur | |
anstrengt. | |
Dem widersprechen Sie? | |
Ja, denn es ist keine Leiter. Es ist eine komplexe Situation in einer | |
gesellschaftlichen Struktur. Und es schwingt natürlich mit, dass die Leute | |
die „oben“ sind, schon etw as dafür getan haben, um oben zu sein. So als ob | |
sie einen Berg erklommen hätten und eine Leistung erbracht hätten. | |
Einige stoßen sich an dem Wort „unten“ in der Kampagne. Sie auch? | |
Den Hashtag würde ich nicht kritisieren. Bei #unten sehe ich wenn dann ein | |
anderes Problem. Es gibt verschiedene Arten von Ungleichheiten: etwa eine | |
kulturelle und eine materielle. Bei dem Hashtag ist es schwer zu | |
unterscheiden, um welche Art von Ungleichheit es sich denn genau handelt. | |
Materielle Ungleichheiten kann man überwinden, bei kulturellen | |
Ungleichheiten zwischen Gesellschaftsschichten ist das schon schwieriger. | |
Ich glaube, das Thema ist viel zu komplex, um es auf einen Hashtag runter | |
zu brechen. Aber eigentlich weiß man nie, welcher Hashtag die Leute dazu | |
bewegt, sich zu einem Thema zu äußern. Kampagnen entstehen spontan. Und | |
irgendwie war #untengut. Es hat viele Leute angesprochen, die mitgemacht | |
haben. | |
Interview Irina Angerer | |
Anatol Stefanowitsch ist Professor für die Struktur des heutigen Englisch | |
an der FU Berlin. Er bloggt auf sprachlog.de | |
15 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Irina Angerer | |
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