# taz.de -- Fesseln für Fessler | |
> In Hamburg sollen ab Januar 2019 Richter über Fixierungen von psychisch | |
> Kranken und Gefangenen entscheiden. Kritikern geht die Gesetzesreform | |
> nicht weit genug | |
Von Hannah Maatallaoui | |
An Bauch, Armen und Beinen festgezurrt auf einer Bahre, jede Bewegung | |
unmöglich. Diese Situation wird von vielen Betroffenen als demütigend und | |
traumatisch erlebt und doch findet sie in psychiatrischen Einrichtungen | |
immer wieder Anwendung. In Hamburg kam es im Jahr 2017 bei rund 24.000 | |
behandelten Fällen zu 690 Fixierungen. Im Strafvollzug wurden Gefangene 18 | |
Mal fixiert. | |
Diese Zahlen stellten Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) | |
und Justizsenator Till Steffen (Grüne) kürzlich im Rathaus vor. Anlass war | |
die Ankündigung einer Gesetzesreform. Ab dem 1. Januar 2019 soll bei | |
Fixierungen, die absehbar länger als eine halbe Stunde andauern, ein | |
Richtervorbehalt gelten. Der Senat wolle damit die Rechte von psychisch | |
Erkrankten, die sich in öffentlich-rechtlichen Unterbringungen befinden | |
sowie von Gefangenen im Strafvollzug stärken. Hamburg reagiert damit als | |
eines der ersten Bundesländer auf ein Urteil des Bundeserfassungsgerichtes | |
vom Juli dieses Jahres. | |
Die Richter stuften darin Fixierungen, die „absehbar“ die Dauer einer | |
halben Stunde übersteigen, als „Freiheitsentziehung“ ein. Laut Grundgesetz | |
muss „unverzüglich“ eine richterliche Entscheidung herbeigeführt werden. | |
Die Bundesländer müssen deshalb einen Bereitschaftsdienst der Gerichte | |
einrichten, der zumindest von 6 bis 21 Uhr erreichbar ist. In Hamburg | |
sollen zunächst die Amtsgerichte diesen Bereitschaftsdienst übernehmen. | |
Dafür will der Senat neue Stellen für zwölf Richter*innen sowie zwölf | |
sogenannte Servicekräfte schaffen. „Damit ermöglichen wir rechtssicheres | |
und schnelles Handeln in Ausnahmesituationen“, so Justizsenator Steffen. | |
Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) bemängelt, dass der durch die Neuregelung | |
entstandene Mehraufwand die Belastung der Richter*innen weiter verschärfen | |
könnte und fordert den Senat auf „endlich ein nachhaltiges Personalkonzept | |
vorzulegen“. | |
## Nur die letzte Möglichkeit | |
Prüfer-Storcks erklärte, dass solche Zwangsmaßnahmen nur als letzte | |
Möglichkeit genutzt werden sollen. Laut Till Steffen würden zudem alle | |
Maßnahmen durch das Hamburgische Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei | |
psychischen Krankheiten (HmbPsychKG) dokumentiert. Hamburg erfasst, als | |
bisher einziges Bundesland, die Zahl der angewandten Maßnahmen und macht | |
die Ergebnisse öffentlich. „Die Hamburger Krankenhäuser setzten dieses | |
Instrument verantwortungsvoll und zurückhaltend ein“, sagte Prüfer-Storcks. | |
Deniz Celik von der Linkspartei reichen diese Maßnahmen bei Weitem nicht | |
aus: „Um Fixierungen zu vermeiden, müssen Deeskalationsmaßnahmen wie eine | |
Eins-zu-eins-Betreuung eingesetzt werden. Das geht nur mit mehr Personal“, | |
sagte er. „Wir brauchen also Menschen statt Fesseln!“ Die | |
Eins-zu-eins-Betreuung durch Pfleger*innen oder therapeutisches Personal | |
war auch eine Forderung der Karlsruher Richter. | |
1 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Hannah Maatallaoui | |
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