# taz.de -- nordđŸthema: âDem Tod mit Humor begegnenâ | |
> Ina Hattebier macht im âNetzwerk Trauerkulturâ in Hamburg Veranstaltungen | |
> zu einer alternativen Trauerkultur. Seit drei Jahren ist sie | |
> Mitveranstalterin des âDeath CafĂ©â. Zuletzt ging es da um den durchaus | |
> fröhlichen Totenkult in Mexiko | |
Bild: Den Toten den Weg nach Hause weisen: Der DĂa de los Muertos in Mexiko | |
Interview Hannah Maatallaoui | |
taz: Was ist ein Death Café? | |
Ina Hattebier: Ein Death Café ist eine offene GesprÀchsrunde zu Trauer, Tod | |
und Sterben. Die Teilnahme ist kostenlos und die GesprÀche sind respektvoll | |
und vertraulich. Das Zuhören ist genauso wichtig wie das Sprechen. Und ganz | |
wichtig: Es muss immer etwas Leckeres zu Essen und zu Trinken angeboten | |
werden. Die AtmosphÀre ist meist locker, es wird viel gelacht und nur | |
selten geweint. Das Death Café ist nicht unsere Erfindung, aber wir haben | |
es letzten Sonntag zum zehnten Mal veranstaltet. | |
Um welches Thema ging es dabei? | |
âAngst vor dem Tod?â â das war der Einstiegsimpuls, den wir gegeben haben. | |
Wir waren ja diesmal zu Gast im Museum am Rothenbaum MARKK, wo es am | |
letzten Wochenende aus Anlass des mexikanischen Totenfestes um das Thema | |
Tod ging. Meist entwickeln sich die GesprĂ€che aber nach den BedĂŒrfnissen | |
der Besucher*innen, die Erfahrungen und Einstellungen der Einzelnen | |
gestalten die GesprÀche. | |
Was ist der Unterschied der mexikanischen Trauerkultur zur deutschen? | |
Das besondere an der mexikanischen Trauerkultur ist, dass sie sich traut, | |
dem Tod mit Humor und Ironie zu begegnen. Sie zeichnet sich einerseits | |
dadurch aus, dass man einen groĂen, intensiven Kontakt zu den Verstorbenen | |
hat und dass man im Jahresverlauf eine bestimmte Zeit festgelegt hat, in | |
der sich um die Verstorbenen verstĂ€rkt gekĂŒmmert wird. | |
Wie denn? | |
Da werden dann Feste unterschiedlichster Art veranstaltet. Beim âDĂa de los | |
Muertosâ bauen sie in den Familien Haus-AltĂ€re auf und bieten den | |
Verstorbenen ihre Lieblingsspeisen an. Die Menschen stellen Bilder auf, die | |
Wege von den Friedhöfen zu den HĂ€usern werden geschmĂŒckt â die Seelen | |
sollen so den richtigen Weg geleitet bekommen. Sie sollen also wieder nach | |
Hause finden. Man feiert auf dem Friedhof und trifft sich dort zum Essen | |
und Trinken. Das ist also ganz anders als bei der deutschen Trauerkultur. | |
Man soll sich auf eine bestimmte Art und Weise wĂŒrdig verhalten und da | |
gehört das Essen auf dem Friedhof noch nicht dazu. | |
Und was wird auf den Friedhöfen verzehrt? | |
Traditionell gehört das Totenbrot zum DĂa de los Muertos. Das wird vorher | |
in den Familien gebacken. Es gibt kleine Zuckertotenköpfe, die hergestellt | |
werden und die man dann an Freunde verschenkt â als Zeichen der | |
Freundschaft. Das Fest ist allgemein sehr bunt. Die Kleidung und der | |
Schmuck sind sehr farbenfroh. Das ist auf jeden Fall anders als bei uns. | |
WĂŒrden Sie sagen, dass das eine Tabuzone in der deutschen Trauerkultur ist? | |
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das nicht mehr so als Tabuthema | |
gesehen wird. Wenn wir mit dem Netzwerk auf Messen waren oder | |
Veranstaltungen gemacht haben, dann haben wir immer wieder die Erfahrung | |
gemacht, dass die Leute es interessiert, ĂŒber das Thema zu sprechen. Sie | |
haben Erfahrungen gemacht, ĂŒber die man sehr schnell ins GesprĂ€ch kommt. | |
Die Trauerkultur wandelt sich ja schon ĂŒber einen gröĂeren Zeitraum hinweg. | |
Inwiefern? | |
Ein Vorreiter dafĂŒr war sicher die Aids-Bewegung, wo sozusagen eine | |
Altersgruppe starb, deren Freunde und Zugehörige sich unter anderen | |
UmstĂ€nden noch nicht so mit dem Tod befasst hatten. Da gab es das BedĂŒrfnis | |
nach einer anderen Trauerkultur. Dazu kam dann die Hospiz-Bewegung, die | |
auch viele VerÀnderungen bewirkt hat. Alternative Bestatter haben dazu | |
beigetragen, dass man sich mehr trauen darf. Dass man auch buntere Farben | |
nutzen darf und den Leuten Angebote gemacht werden. Sie versuchen, ihnen | |
FreirÀume zu geben, die sie selber gestalten können. | |
Was bringt das? | |
Wenn man den Betroffenen den Gestaltungsspielraum zurĂŒckgibt und sie dabei | |
unterstĂŒtzt, eigene WĂŒnsche und Vorstellungen einzubringen, können sie sich | |
dem Tod etwas mehr zuwenden und ihm vielleicht etwas von seinem Schrecken | |
nehmen. | |
Mit welcher Intention wurde das Death CafĂ© gegrĂŒndet? | |
Die Idee stammt von dem Schweizer Soziologen Bernard Crettaz. Dieser hat um | |
2004 herum das âCafĂ© Mortelâ gegrĂŒndet. Als Idee dahinter steckt, dass es | |
gut ist, wenn Menschen zusammensitzen und sich ĂŒber den Tod unterhalten. | |
Das geht besser, wenn man sich gar nicht oder nicht gut kennt. Das ist dann | |
manchmal einfacher. Diese Idee hat dann Jon Underwood aufgegriffen und den | |
Begriff âDeath CafĂ©â geprĂ€gt. Und auch dafĂŒr dann eine Internetplattform | |
aufgebaut: deathcafe.com. Da kann man dann posten, wann findet wo das | |
nÀchste Death Café statt. Man kann aber auch allgemeine Informationen dort | |
finden. Beispielsweise, was ĂŒberhaupt ein Death CafĂ© ist. | |
Was fĂŒr Menschen kommen zum Death CafĂ©? Es sind sowohl Ă€ltere als auch | |
junge Besucher*innen da. Allgemein sind aber immer noch etwas mehr Frauen | |
als MÀnner da, aber es gibt auf jeden Fall auch MÀnner, die am Death Café | |
teilnehmen. | |
Wie sieht die allgemeine Resonanz aus? | |
Die Resonanz auf die Veranstaltungen unseres Netzwerks Trauerkultur ist | |
sehr groĂ. Die unterschiedlichen Formate, die wir anbieten, wie | |
Ausstellungen, Workshops, Death Cafés oder Podiumsdiskussionen, werden sehr | |
gut angenommen. Die Leute haben das GefĂŒhl, dass sie sich auf | |
unterschiedlichen Ebenen â so wie sie das gerne haben wollen â mit ihren | |
eigenen Einstellungen und Erfahrungen ganz konkret einbringen können. Es | |
hat immer beides. Man kann immer was Erfahren, man kann sich aber auch was | |
mitteilen. Diese Mischung macht unsere Veranstaltungen erfolgreich. | |
Was ist das Netzwerk Trauerkultur? | |
Ute Arndt, Carsten Seidel, Melanie Torney und ich haben uns zusammengetan, | |
um Veranstaltungen zu machen, die sich mit den Themen rund um das Ende des | |
Lebens beschÀftigen. Und um das ganze Thema auch gesellschaftlich | |
wahrnehmbarer zu machen. Das machen wir seit 2015. | |
Nehmen Sie auch VorschlĂ€ge und Ideen von auĂen auf? | |
Kooperationen wie unsere vorletzte Veranstaltung âMittellos sterbenâ haben | |
wir im Rahmen der Hamburger Hospizwoche gemacht. Dann hatten wir | |
Kooperationen mit Hinz&Kunzt und der Autorin Francis Seeck, die eine Lesung | |
mit Bestatter*innen gehalten hat. Wir haben versucht, daraus ein Paket zu | |
schnĂŒren, in dem wir sowohl Informationen teilen können als auch | |
unterschiedliche Vorgehensweisen thematisieren können. Und wir haben | |
natĂŒrlich auch den Leuten mit ihren Fragen, Einstellungen und Erfahrungen | |
Raum gegeben. Wir sind immer auf der Suche nach Kooperationen, auch fĂŒr die | |
Death Cafés, weil wir das immer an wechselnden Orten stattfinden lassen | |
wollen. | |
10 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Hannah Maatallaoui | |
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