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# taz.de -- berliner szenen: Tofuwurst und Fleischwurst
Schon wieder einer dieser nicht enden wollenden Sonnentage in Kreuzberg.
Schon wieder einer dieser romantischen Sonnenuntergänge an der
Admiralsbrücke. Möchte man fast denken. Erwischt sich dann aber rechtzeitig
dabei. Und wandelt den Überdruss in Dankbarkeit um. Die Yogalehrerin hat es
in der letzten Stunde immer wieder betont. Dankbarkeit. Wichtig. Merken.
Auf einer der Holzbänke vor der Eisdiele an der Ecke, deren Tür im
Minutentakt Kinder mit bunt bestreuselten Eistüten in der Hand ausspuckt,
sitzen zwei Typen und eine Frau Anfang dreißig. Ohne Eis. Die braunen
Flecken am Mund des Mädchens, das in ihrer Mitte thront, lassen auf den
Genuss eines Schokoladeneises schließen. Die Männer sind gut drauf. Das
Mädchen auch. Seine Strumpfhose ist rosa-grau geringelt. Ich muss daran
denken, dass es auch in meinem Leben einmal eine Zeit gab, in der die
gemütliche Wollstrumpfhose in Kombination mit irgendeinem Pulli mein
Alltagsoutfit ergab, in dem ich tagtäglich auf dem Boden herumgerobbt bin.
Egal ob zu Hause, in der S-Bahn oder unter dem Esstisch im Kindergarten.
Schön war das.
Das Mädchen setzt sich auf den Schoß des einen und ruft laut lachend:
Tofuwurst! Daraufhin gibt der sie an den Freund auf der Holzbank weiter.
Sie kringelt sich vor lachen. Und ruft: Fleischwurst! Daraufhin wird sie
wieder zurückgegeben. Die Frau, die dabeisitzt, erkundigt sich nach den
Spielregeln. Das Mädchen erklärt. Es handelt sich um ein Spiel, bei dem der
eine Vegetarier ist, der andere Allesesser. Wenn das Mädchen „Tofuwurst!“
ruft, muss der Fleischesser sich lautstark ekeln und sie an den Vegetarier
überreichen. Wenn sie aber „Fleischwurst!“ ruft, dann geht das Spiel
andersherum. Wenn die beiden sich nicht laut genug ekeln, wird die Wurst
sauer. Danke, Kreuzberg. Alicja Schindler
1 Nov 2018
## AUTOREN
Alicja Schindler
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