# taz.de -- Frieden zwischen hier und dort | |
> Ihre Kolumne half Kefah Ali Deeb beim Ankommen. Nun hat sie geflüchtete | |
> Frauen beim Schreiben begleitet | |
Bild: Im Pergamon Museum Berlin: Samaa Hijazi (l.), Kursleiterin und taz-Kolumn… | |
Vor etwa fünf Jahren kam ich nach Deutschland. Anfangs verglich ich das | |
neue Land, Deutschland, mit seinen Nuancen und seinem Alltag stets mit | |
meinem Herkunftsland Syrien. Es fiel mir schwer, diese Vergleiche nicht zu | |
ziehen oder mein ständiges Nachdenken darüber einzustellen. Alles führte | |
mich entweder nach Damaskus, zu der Stadt, die ich liebe, oder nach | |
Latakia, zu der Stadt, in der ich geboren wurde. Eineinhalb Jahre später | |
begann ich für die taz zu schreiben. [1][Ohne zu zögern wählte ich damals | |
den Titel „Hier und dort“ für die Kolumne, die ich heute noch unter dem | |
Titel „Nachbarn“ schreibe], und in der ich versuche, meine Gedanken zu | |
formulieren. | |
Immer mehr wurde mir bewusst, welche Bedeutung diese Kolumne für mich hat; | |
und wie das Schreiben mir half, den Zustand des Flüchtlingsseins zu | |
überwinden. Ich schrieb über die Wahrnehmung der Fremde und die damit | |
verbundenen Schwierigkeiten, über den Alltag mit seinen Einzelheiten, die | |
Sehnsucht nach der Vergangenheit und die Angst vor der Zukunft. Wenn ich | |
damit fertig war, merkte ich, dass ich mehr Zuversicht, Selbstvertrauen, | |
Stolz und Fähigkeit für einen neuen Anfang in mir spürte. Denn meine Stimme | |
wird dankenswerterweise gehört, ich bin nicht allein, ich kann mich | |
mitteilen und ich fühle mich nicht mehr fremd. | |
Vor diesem Hintergrund dachte ich an die Frauen, die mir in Deutschland an | |
verschiedenen Orten, wie Flüchtlingsunterkünften, Integrationskursen, auf | |
der Straße oder beim Jobcenter, begegneten. Jede dieser Frauen hat ihre | |
eigene Geschichte, die sie erzählen könnte, dachte ich. Ich hörte mir ihre | |
Geschichte an und stellte dabei fest, dass jede dieser Geschichten der | |
Anfang eines Romans sein könnte. Geschichten über ihre eigenen Erfahrung | |
von Flucht und Vertreibung; Geschichten, die die vermeintlichen Werte der | |
Weltgemeinschaft infrage stellen. Ich überlegte mir, wie man die | |
Erzählungen dieser Frauen weitererzählen könnte. Wie konnte man ihnen eine | |
Bühne bieten, damit sie selbst über ihre Gefühle, Träume und Niederlagen | |
sprechen können? | |
So entstand die Idee des Workshops „Frieden zwischen hier und dort“. Ich | |
wollte den Frauen damit ein Fenster zur Außenwelt öffnen, aus dem sie die | |
anderen sehen und von diesen gesehen werden. Ich wollte, dass sie die | |
anderen hören und von den anderen gehört werden. Und dass sie nach all den | |
Leiden an eine bessere Zukunft glauben. | |
Nachdem die Organisations- und Verwaltungsphase abgeschlossen war, sollte | |
dann die Zielgruppe der Frauen definiert und zur Teilnahme motiviert | |
werden. Danach begann die Erläuterung des Workshops und das damit | |
verbundene Ziel. | |
Das Vorhaben war leichter gesagt, als getan. Es gab wesentlich mehr | |
Hindernisse, als gedacht. Ich besuchte Flüchtlingsunterkünfte, | |
Integrationskurse und verschiedene Einrichtungen, die sich um Flüchtlinge | |
kümmern. Trotzdem stieß ich immer wieder auf Schwierigkeiten, denn die | |
Frauen wollten aus verschiedenen Gründen nichts erzählen. | |
Die Gründe für ihre Zurückhaltung waren grundverschieden. Die Altersgruppe | |
der Frauen zwischen 18 und 25 Jahren ist zum größten Teil bereits | |
verheiratet und hat Kinder, sodass die Frauen ihre Kinder nicht | |
alleinlassen wollten. Manche Frauen waren von der Bedeutung des Schreibens | |
ihrer Erfahrungen nicht überzeugt. Andere sahen ihre Prioritäten woanders, | |
denn sie waren zum Teil auf der Suche nach Wohnung, Schul- oder | |
Kindergartenplatz. Fast alle Frauen, die ich traf, trugen hauptsächlich die | |
Verantwortung für ihre Familien; das heißt, dass sie sämtliche | |
Verwaltungsgänge alleine und ohne Hilfe ihrer Ehemänner erledigen mussten. | |
Viele von ihnen waren außerdem damit beschäftigt, Deutschkurse zu besuchen, | |
und von der Idee, in arabischer Sprache zu schreiben, nicht überzeugt. | |
Am Ende gelang es mir jedoch, eine Gruppe von 15 Frauen für den Workshop zu | |
gewinnen. Nicht alle konnten bis zum Schluss bleiben und jede hatte ihre | |
Gründe dafür. Gleichwohl gingen am Ende dieses Workshops sechs Texte daraus | |
hervor. | |
Ich hatte viel Freude daran, diese Frauen während der Arbeitsphasen des | |
Workshops persönlich näher kennenzulernen. Ich durfte beobachten, wie die | |
Frauen ihre Schreibfähigkeiten spürbar entwickelten, die Bedeutung des | |
Schreibens schätzten, den Dialog miteinander suchten, sich gegenseitig | |
zuhörten und mit Respekt und Anerkennung politische, soziale und kulturelle | |
Themen diskutierten. | |
Ich lernte von diesen Frauen viel, und ihre Texte sprechen am besten über | |
sie. Kefah Ali Deeb | |
26 Oct 2018 | |
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## AUTOREN | |
Kefah Ali Deeb | |
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