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# taz.de -- gegenstandpunkt: Zirkustiere müssen sein!
> Wildtiere gehören zu Zirkussen dazu. Gute Dompteure respektieren sie,
> anders könnten sie mit ihnen gar nicht arbeiten
Pelziger Staub auf der Zunge, der Duft von Heu, Sägespänen, Popcorn und
Tierscheiße in der Nase, eine Kakophonie von Tiergebrüll und eines
Instrumente stimmenden Orchesters im Ohr: Das war Zirkus, das ist Zirkus,
das muss Zirkus sein!
Ich mag Zirkus. Ich mag Tiere im Zirkus. Ich mag auch Roncalli. Der hat
keine Tiere. Roncalli hat ein anderes Zirkuskonzept und Roncalli will
mitten in die Städte. Da ist kein Platz, kein Auslauf für Tiere.
Gerd Siemoneit-Barum war einer der größten Dompteure für Großkatzen. „Du
musst die Tiere respektieren,“ sagt der heute fast 90jährige. Und weiter:
„Du musst sie auch lieben, aber komm ihnen nicht zu nahe.“ Zweimal wurde
Siemoneit-Barum angefallen. Ein Fingerglied ging ihm verloren. „Meine
Schuld“, meint er lapidar. Heute hat er auf Zirkus keine Lust mehr. Zu viel
Bürokratie.
„Jeder Zirkus wird so wie kein anderes Unternehmen kontrolliert. Kein
anderer Tierhalter, weder im Zoo noch in der Landwirtschaft, hat so viele
Auflagen,“ sagt Rolf Huptertz von der Vereinigung deutscher
Zirkusunternehmer. „Worüber reden wir eigentlich? Tierquälerei? Quatsch“,
schimpft Huptertz. Es gebe in Deutschland keine 400 Zirkusse. Eigentlich
hielten nur mittlere und große Unternehmen sogenannte Wildtiere. „Für
kleine Unternehmen ist eine Tierhaltung meist zu teuer“, so Huptertz. Die
Bettelaktionen im Winter, wenn vermeintliche Zirkusse mit Lamas oder Ponys
um Spenden in den Innenstädten werben, findet er unmöglich. „Manchmal
steckt nicht mal ein Zirkus dahinter“, weiß Huptertz.
Der Begriff „Wildtier“ sei überhaupt definitionswürdig, meint Matthias
Triphaus von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz. Er ist als
Veterinär zuständig für Tiere in Zirkussen. „Es gibt im Prinzip keine
Wildfänge für Zirkusse. Allerdings, bei der langen Lebenszeit von Elefanten
kann das eine oder andere Tier noch aus Freifängen stammen. Freilassen kann
man aber kein Tier. Es würde verrecken,“ so Triphaus.
Und was heiße freilassen? Wohin? In Reservate, in denen die Tiere
verblöden? Ausgewildert werden können sie jedenfalls nicht mehr. Triphaus
kennt den Fall des Schimpansen Robby, der seit über 40 Jahren bei seinem
Zirkusdirektor lebt. „In freier Wildbahn würde der Affe wahrscheinlich
verhungern oder von seinen Artgenossen zerrissen,“ sagt er. Die von
Tierschützern so gepriesene „freie Wildbahn“ sei nichts anderes als eine
realitätsferne Idealisierung. Wilderei, Tourismus, Land- und
Holzwirtschaft, Straßenbau und Umweltverschmutzung zerstörten die
Lebensräume der echten Wildtiere.
„Gut, unsere Tiere reisen. Jeder Pferdebetrieb transportiert seine Tiere
jeden Tag durch Deutschland. Jeder Viehtransporter schleppt Tiere durch
Europa. Unsere Tiere sind Reisen gewohnt. Aber sie werden nicht
geschlachtet,“ erklärt Zirkusfunktionär Huptertz. Und: „Die Dompteure
kümmern sich um ihre Tiere.“ Das Training, die Beschäftigung und Bewegung
der Tiere sei ein fester Bestandteil des Umgangs mit Tieren im Zirkus. „Wir
respektieren unsere Tiere. Sie sind unsere Partner. Wir können sie zu
nichts zwingen,“ meint Altmeister Gerd Siemoneit-Barum.
Im Gegensatz zu den gemeinen Haushunden in meiner Nachbarschaft. Die werden
zweimal am Tag eine Viertelstunde zum Scheißen auf die Straße gezerrt oder
einfach zum selben Zweck vor die Tür gesetzt. Wenn Frauchen und Herrchen
Zeit für sie haben könnten, sitzen sie mit ihnen auf dem Sofa vor der
Glotze und ziehen sich Tierfilme oder Schlimmeres rein. Das nenn’ich
Tierquälerei!
Tierschutzvereinigungen sind ehrenwert. Oft haben sie Recht mit ihrem
Engagement: zum Beispiel mit ihrem Kampf gegen Delfinarien – hier ist der
„Nachschub“ durch brutale Freifänge gesichert. Aber die meisten
Organisationen finanzieren sich eben auch durch Spenden. Mit einer Kampagne
gegen Haustiermissbrauch kann man keine müde Mark machen. Da muss dann eine
andere Sau durch den Zirkus getrieben werden.. Thomas Schumacher
20 Oct 2018
## AUTOREN
Thomas Schumacher
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