# taz.de -- Der Piano Man | |
> Kuba ist ein Füllhorn, das zahllose junge Musiker Jahr für Jahr | |
> ausschüttet. Die machen sich von der Insel oder aus der Diaspora | |
> zunehmend weltweit bemerkbar. Wie der Pianist Harold López-Nussa, einer | |
> der längst international renommierten Daheimgebliebenen | |
Bild: Das Harold-López-Nussa-Trio präsentiert das neue Album „Un Día Cualq… | |
Von Katrin Wilke | |
Lange nach dem Buena-Vista-Boom assoziiert man Kuba aus westlicher | |
Weltsicht weiterhin zumeist nur mit jenen betagten Soneros oder aber | |
vielleicht noch mit jener hausgemachten, zu Hause ungemein populären | |
Reggaeton-Variante. Nicht minder, einfach anders vital ist z. B. die | |
Fusion- und Jazzszene Havannas. Also dort, wo das Gros der nach wie vor | |
mustergültigst ausgebildeten Musiker irgendwann zum Studieren oder aber zum | |
Arbeiten landet. | |
Unter den innovativeren Instrumentalisten, die samt ihren Sänger- oder | |
Rapperkollegen ihre Visionen aus afrokubanischer Musik, Jazz, Latin- und | |
anderen Traditionen schöpfen, sind auffallend viele Pianisten. Kuba hat | |
diesbezüglich eine lange Geschichte als Talentschmiede, ist fraglos eine | |
Art Schule des Klavierspiels, die Musiker beider Amerikas und auch Europas | |
zu schätzen und zu nutzen wissen, in der profunde Klassikkenntnisse | |
zusammenfließen mit denen der eigenen Folklore sowie dem Wissen um die | |
populärmusikalischen Freiheiten und Tendenzen. Dieses Miteinander von | |
Genres, Stilen und Zeiten spricht in der Summe dann doch eine so | |
kubanische, gleichermaßen zeitgenössische Sprache. | |
Es zeichnet auch die Arbeit des 35-jährigen Pianisten und Komponisten bis | |
heute aus, für den es – wie er sagt – ein Traum sei, sich in beiden Welten | |
bewegen zu können: der der konzertanten Klassik und des improvisations- und | |
freiheitsliebenden Jazz. Der lag quasi in der Matrix des gebürtigen | |
Habanero, der zwischen Jazzern aufwuchs und so wohl auch nicht zufällig | |
schon in seinen ersten Albenveröffentlichungen ungeheuer reif und | |
profiliert, dabei auch stets sehr rhythmusaffin klang. | |
Die nicht mehr lebende Mutter war eine gefragte Klavierlehrerin, der Vater | |
und der etwas jüngere Bruder sind Schlagzeuger und Perkussionisten – | |
letzter auch Mitglied von Harolds Trio. Von besonderer Bedeutung war und | |
ist für ihn der ebenfalls Klavier spielende Onkel Ernán López-Nussa, eine | |
Schlüsselfigur im kubanischen Jazz. Immer wieder mal kommen die vier Herren | |
auch für Familienkonzerte u. a. Projekte zusammen. Intergenerationelles | |
dieser Art ist eine schöne Tradition in Kubas gesamter Populärmusik. Man | |
denke nur an das famose Klavier spielende Vater-Sohn-Gespann Bebo und | |
Chucho Valdés. | |
Dieser gilt seit Langem als Kubas Pianist Nummer eins – mit der seit langem | |
wohl größten internationalen Reputation – und als wichtigster Spiritus | |
Rector der heimischen Jazzszene. Der weltweit bestens vernetzte | |
Sympathieträger, eine Art „Guru“ des afrokubanischen Jazz, lockt | |
alljährlich Musikerfreunde und -kollegen von überall her – in der Regel auf | |
deren eigene Kosten – zu Havannas Festival „,Jazz Plaza“. Die kommende, 3… | |
Ausgabe dieses wichtigsten internationalen Jazzevents in Lateinamerika, | |
dessen künstlerischer Leiter der 77-jährige Chucho Valdés über lange Zeit | |
war, findet vom 16. bis 20. Januar 2019 statt. | |
Auch Harold López-Nussas musikalische Vita ist natürlich – wie die aller | |
jungen und älteren kubanischen Jazzer – mit Jazz Plaza verbunden. Immer | |
wieder trat er dort auch auf, ob nun mit eigener Band oder aber, wie 2012, | |
mit einem Kammerorchester. Nichts Ungewöhnliches für den solide klassisch | |
ausgebildeten Musiker, der zuvor schon vielfach mit Sinfonieorchestern | |
arbeitete. Kurioserweise wurde jedoch nicht in seiner Heimatstadt sondern | |
im fernen schweizerischen Montreux seine jazzmusikalische Karriere | |
letztlich entscheidend befeuert. | |
López-Nussa trat 2005, mit nur 22 Jahren, als allererster Kubaner beim | |
Wettbewerb des prestigereichen Festivals im Bereich Solo-Piano auf und | |
gewann. Nur zwei Jahre später machte ein weiterer exzellenter Pianist aus | |
Havanna, Rolando Luna, das Rennen in Montreux. Beide gehören der gleichen | |
Generation an und machten auch schon öfters gemeinsame Sache. Überhaupt | |
scheint es einfacher zu sein, aufzuzählen, wo, mit wem und in welchen | |
Konstellationen der umtriebige und dabei doch auch immer lässig wirkende, | |
sympathisch kindlich-verschmitzte Harold López-Nussa bis dato noch nicht | |
tätig war: Ob nun solistisch, im Piano-Duo, seinem eigenen Trio, mit dem | |
der mittlerweile Weitgereiste gerade in Asien konzertierte und nun erneut | |
nach Europa kommt. | |
Schier unüberschaubar und vielgestaltig auch die Zusammenarbeiten mit | |
renommierten Landsleuten und Kollegen aus aller Welt: Von Omara Portuondo, | |
der weit über Buena Vista Social Club hinaus geschichtsträchtigen Sängerin, | |
besagtem Chucho Valdés oder Jazz-Plaza-Gründer Bobby Carcassés bis hin zum | |
Puerto-Ricaner David Sánchez oder Christian Scott aus den USA. | |
Der stilistisch ohnehin wenig zugeknöpfte Jazz wird in Kuba von jeher noch | |
entgrenzter verstanden als anderswo. Nicht anders handhabt es der junge | |
Pianist, der von früh an auch in unmittelbarer Nähe zur afrokubanischen | |
Kultur und Religion aufwuchs und heute mit schönster Selbstverständlichkeit | |
mit dem senegalesischen Sänger und Bassisten Alune Wade oder dem | |
Brasilianer Swami Jr. musiziert. Der Gitarrist produzierte auch das | |
gelungene aktuelle Album des Kubaners „Un Día Qualquiera“. Nicht „irgend… | |
Tag“ wird für viele musikalisch aufgeschlossene Berliner vermutlich der | |
kommende Montag. | |
25 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Katrin Wilke | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |