# taz.de -- heute in hamburg: „Die Macht der Akteure, die sprechen“ | |
Interview Hannah Maatallaoui | |
taz: Herr Beckert, wieso sollte man die Zukunft erfinden? Es gibt sie doch | |
schon. | |
Jens Beckert: Es gibt keine zukünftigen Fakten. Deshalb beinhalten alle | |
Voraussagen, die wir über zukünftige Entwicklungen machen, immer ein Moment | |
des Erfindens, der Kreativität und der Imagination. Das heißt nicht, dass | |
unsere Vorstellungen von Zukunft nicht auch auf gegenwärtigem Wissen | |
basieren und vergangene Erfahrungen miteinbeziehen. Sie können sich nur nie | |
darauf beschränken, sondern haben immer diesen imaginativen Überschuss. In | |
dem Sinne kann man von der Erfindung der Zukunft sprechen. | |
Wer bestimmt, wie wir uns die Zukunft vorstellen? | |
Akteure folgen Geschichten über die Zukunft, die sie als glaubwürdig und | |
überzeugend verstehen. Insofern ist die Frage, unter welchen Bedingungen | |
eine Geschichte als glaubwürdig anerkannt wird. Ein wichtiger Faktor ist | |
die Macht der Akteure, die sprechen. In der Wirtschaft sind das etwa die | |
Spitzen der Zentralbanken, großer Unternehmen oder von Think Tanks, die | |
Einfluss auf Vorstellungen der Zukunft nehmen und so Entscheidungen lenken. | |
Ist das gefährlich? | |
Nicht unbedingt. Wir brauchen Überzeugungen, wie die Zukunft sich | |
entwickeln wird, um auch Risiken einzugehen. Natürlich kann das auch | |
gefährlich sein, weil Geschichten über die Zukunft sich eben nicht | |
vollständig überprüfen lassen und daher immer Manipulationsmöglichkeiten | |
bestehen. Außerdem werden unterschwellig Gesellschaftsmodelle propagiert. | |
Denken Sie an das Silicon Valley oder die Diskussion um künstliche | |
Intelligenz. Entwicklungen werden als technologische Notwendigkeit | |
dargestellt, ohne dass die dahinterstehenden Gesellschaftsmodelle | |
offengelegt werden. | |
Gibt es auch Chancen? | |
Über Zukunftsnarrative gestalten wir die Zukunft. Das ist von enormer | |
Bedeutung für die Frage der Dynamik unserer Gesellschaft. | |
Also kann künstliche Intelligenz die menschliche Imagination in Zukunft | |
nicht ersetzen? | |
Nein. Es ist momentan ein großer Diskurs, ob diese Technologien die | |
Vorhersage von Verhalten und Entwicklungen ermöglichen werden. Hier bin ich | |
skeptisch. Ich glaube, dass dies letztendlich uneinlösbare Versprechen oder | |
überzogene Befürchtungen sind. | |
18 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Hannah Maatallaoui | |
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