# taz.de -- heute in hamburg: „Es geht um kulturelle Hegemonie“ | |
Interview Anna Dotti | |
taz: Herr Caldiron, wer sind die Neofaschisten in Italien? | |
Guido Caldiron: Sie sind eine Mischung aus verschiedenen Strömungen. Auf | |
der einen Seite gibt es die außerparlamentarischen politischen Bewegungen, | |
die versuchen, eine rechte Kultur innerhalb der Jugendlichen zu etablieren | |
– durch Veranstaltungen wie Konzerte und Partys. Auf der anderen Seite gibt | |
es die Faschisten innerhalb der Regierung, die dieselben Schlagwörter | |
benutzen und der Lega Partei angehören. | |
Ist die rechtsextremistische Bewegung weit verbreitet? | |
Es gibt verschiedene Bewegungen, aber ehrlich gesagt sind es nicht so viele | |
– militant sind einige Tausende im ganzen Land. Aber wenn wir daran denken, | |
dass der Slogan „Italiener zuerst“ im Moment das Schlagwort der Regierung | |
ist, heißt das, dass solche Gedanken heutzutage sehr weit verbreitet sind. | |
Wie gefährlich ist die (neo)faschistische Rechte in Italien? | |
Es gibt zwei Aspekte: Einer davon ist die Gewalt, die wir gegen Migranten | |
sehen. Diese werden als eindringende Feinde beschrieben, deren Präsenz ein | |
Problem für die nationale Identität und für die Reinheit des Blutes | |
darstellt. Der andere Aspekt ist aber noch gefährlicher. Es geht um die | |
kulturelle Hegemonie, die diese rechtsextremistischen Bewegungen zusammen | |
mit den institutionellen Rechtspolitikern stärken. Das führt letztendlich | |
zu einem antidemokratischen Zustand, zu einem Regime. | |
Wieso kommt es zu solchen Entwicklungen? | |
Die Ursachen haben einen historischen und einen politischen Ursprung. Seit | |
den 90er Jahren, seit der Zeit von Berlusconi, gab es eine romantische | |
Version eines guten Faschismus, der nur von falschen Allianzen irregeführt | |
wurde. Nach zwanzig Jahren Berlusconi-Regierung haben wir, wie ganz Europa, | |
die Wirtschaftskrise erlebt und die Zunahme der Migrationsströme. | |
Wie sieht es mit Gegenbewegungen aus? | |
Es gibt viele Gegenbewegungen, vor allem in der außerparlamentarischen | |
Linken, die sich besonders im Schutz und der Integration von Migranten | |
einig sind. In diesen Tagen gab es eine Demonstration der Solidarität in | |
Riace, einer kleinen Stadt in Süditalien, um den Bürgermeister zu | |
unterstützen, der eine Willkommenspolitik für Migranten betreibt. Noch ein | |
Symbol ist das Schiff Mare Jonio, das von italienischen NGOs gekauft wurde | |
und jetzt gerade nach Libyen fährt, um Migranten zu retten. | |
9 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Anna Dotti | |
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