# taz.de -- berliner szenen: Bruder, nicht reden. Schreib! | |
Ich bin Brite“ sind seine ersten Worte. Er spricht sie mit einem mir | |
unbekannten Akzent. Ich lese den Satz als vorauseilende Legitimation, | |
quasi: „Ich bin ein schwarzer Mann, aber mir kannst du vertrauen, ich bin | |
Europäer.“ Er fragt: „Bist du Deutscher?“ Ich stutze. Eigentlich möchte… | |
nur wissen, ob ich gut Deutsch spreche. | |
Ich setze mich. Er fordert, dass ich einen Brief für ihn schreibe, sein | |
eigenes Deutsch sei nicht gut genug. Wie lang der Brief denn werden solle, | |
frage ich. „Bruder, nicht reden. Schreib!“, sagt er. Ein Befehl, den er | |
noch oft wiederholen wird. Dabei murmelt er immer wieder kopfschüttelnd | |
sein Unverständnis über meine Nachfragen. | |
Er diktiert mir seine Sätze, ich passe sie grammatikalisch an. Er sucht | |
eine Wohnung mit Fahrstuhl, denn er sitzt im Rollstuhl. Die Miete werde vom | |
Amt übernommen, und in Westberlin muss die Wohnung sein. Warum will er weg? | |
„Ich muss!“ | |
Inmitten des Briefes entscheidet er: Schreib hinter meinen Namen noch in | |
Klammern „Diplomverwaltung“. Ein paar Minuten später: Schreibe noch | |
dahinter: „Und Regierung“. Ich frage: „Meinen Sie Regierung im Sinne von | |
Governance oder Management?“ – „Bruder, schreib!“ | |
Ich bin das gleichzeitige Reden, Hören und händische Schreiben nicht | |
gewöhnt, vergesse Wörter und Buchstaben. Als der zweiseitige Brief fertig | |
ist, biete ich an, ihn nochmals in Reinschrift zu bringen. Als das | |
geschehen ist, fordert er ein drittes Exemplar. Das Wort „Danke“ oder | |
„Bitte“ ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht gefallen. | |
Für welche Regierung er denn gearbeitet habe, frage ich. Für die Regierung | |
seines Heimatlandes. Er nennt ein Land in Westafrika. Vier Sprachen spreche | |
er: Englisch, Deutsch, Schwedisch und eine afrikanische Sprache. Sein | |
Nachname bedeute „Berg“. Magnus Rust | |
8 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Magnus Rust | |
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