# taz.de -- Was soll das? | |
> Senat und Datenschützer streiten über den Einsatz der | |
> Gesichtserkennungssoftware „Videmo 360“. Was kann die Software und welche | |
> Gefahren birgt sie? Ein Faktencheck | |
Bild: Eine friedliche Möglichkeit, sich gegen Gesichtserkennung zu wehren: mit… | |
Von Maren Knödl | |
Seit mehreren Wochen streiten sich Innensenator Andy Grote (SPD) und der | |
Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar über den Einsatz der | |
Gesichtserkennungssoftware „Videmo 360“. Die Soko „Schwarzer Block“ hat… | |
diese bei der Fahndung nach potenziellen G20-Tätern eingesetzt und will sie | |
nun dauerhaft nutzen. Caspar hält das für gesetzeswidrig. Wenn der Streit | |
vor Gericht geht, wäre es der erste Prozess zwischen der Datenschutzbehörde | |
(die der Innenbehörde angegliedert ist) und einer anderen Behörde. | |
Der Konflikt | |
Bereits im Juli beanstandete Caspar den Einsatz der Software: Es fehle die | |
rechtliche Grundlage. Der Einsatz sei nicht nur ein „Eingriff in das | |
Grundrecht“ möglicher Täter, er greife auch in das Recht völlig | |
Unbeteiligter ein, indem auch von ihnen Daten „aus allen erdenklichen | |
Bereichen zusammengezogen und (…) verknüpft“ werden könnten. Über die | |
Fahndung hinaus könnten so Profile identifizierter Personen erstellt | |
werden, um sie bei späteren Fahndungen zu nutzen. Caspar spricht von einer | |
„neuen Dimension der Kontrolle“. | |
## Was kann die Software? | |
Nach dem aufwendigen Einspeisen von Bild- und Videomaterial erstellt sie | |
„Gesichtstemplates“, also mathematische Modelle der Gesichter anhand | |
wesentlicher Merkmale. Die Templates können mit anderen Aufnahmen | |
abgeglichen werden und zeigen, wo und wann sich die erfasste Personen noch | |
aufgehalten haben. Zusätzlich können Nutzer der Software die | |
Personentemplates durch weitere Informationen anreichern und Profile so | |
ergänzen. Technisch ist es möglich, dass die Software gespeicherte | |
Gesichter dann auch in Live-Videomaterial erkennt und gegebenenfalls einen | |
Alarm auf einem mobilen Gerät auslöst. Nach eigenen Angaben der | |
Softwareentwickler seien durch die flexible Anwendung der Software „keine | |
Grenzen gesetzt“. | |
## Was steht dazu im Datenschutzgesetz? | |
Zum Umgang mit personenbezogenen Daten heißt es im Bundesdatenschutzgesetz | |
(BDSG), Paragraf 48: „Die Verarbeitung besonderer Kategorien | |
personenbezogener Daten ist nur zulässig, wenn sie zur Aufgabenerfüllung | |
unbedingt erforderlich ist“. Diesen Paragrafen nutzt die Behörde, um den | |
Einsatz der Software zu rechtfertigen. Als Reaktion auf technischen | |
Fortschritt und den Umgang mit immer mehr Daten hat das | |
Bundesverfassungsgericht vor 35 Jahren das „Recht auf informationelle | |
Selbstbestimmung“ beschlossen. Demnach kann jeder selbst über die Preisgabe | |
und Verwendung seiner Daten bestimmen. | |
## Was kritisiert der Datenschutzbeauftragte? | |
Laut Caspar verbirgt sich hinter Paragraf 48 des BDSG eine Generalklausel. | |
In einem 31-seitigen Bericht zum Einsatz von „Videmo 360“ kommt er zu dem | |
Schluss, dass durch den Einsatz der Software die Grundrechte von Personen | |
verletzt werden. So beschränke sie beispielsweise das | |
Geheimhaltungsinteresse und die Verhaltensfreiheit. | |
## Wie argumentiert Grote? | |
Grote weist die Beanstandung zurück. In einem Brief an Caspar schreibt er, | |
sie beruhe „maßgeblich auf der Betrachtung rein hypothetischer | |
Einsatzmöglichkeiten einer Gesichtsanalysesoftware, welche allerdings bei | |
der Polizei Hamburg weder erfolgt noch geplant ist“. | |
## Wie geht’s weiter? | |
Der Datenschützer kann den Einsatz der Software verbieten. Diese Kompetenz | |
hatte er bislang nicht, er konnte nur beratend tätig sein. Erst seit der | |
Umsetzung einer EU-Richtlinie kann er Verbote aussprechen. Grote forderte | |
Caspar auf, seine Position noch mal zu überdenken, Caspar hat sich dazu | |
noch nicht geäußert. Sollte er den Einsatz untersagen, wird der Senator | |
wohl dagegen klagen. Ein solcher Prozess könnte als Grundlage für ähnliche | |
Fälle in der Zukunft dienen. | |
5 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Maren Knödl | |
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