| # taz.de -- Der Angeklagte betrachtet zufrieden sein Opfer | |
| > Vor dem Landgericht Berlin wird ein ominöser Fall von Menschenraub mitten | |
| > in Kreuzberg verhandelt | |
| Von Uta Eisenhardt | |
| Iwan S. wollte sich Tabak im Späti an der Urbanstraße besorgen. Kurz nach | |
| Mitternacht hielt ein weißer Kastenwagen neben ihm. S. trat heran, im | |
| selben Moment öffnete sich die Schiebetür, zwei Männer bugsierten ihn | |
| hinein und drückten seinen Kopf herunter. Die Szene spielte sich am 26. Mai | |
| 2017 mitten in Kreuzberg ab. Seit gestern wird darüber am Landgericht | |
| verhandelt. | |
| Angeklagt ist der 35-jährige Sebastian B. Der hagere Mann sitzt nicht zum | |
| ersten Mal vor dem Richter. Zunächst will er sich nicht äußern zum Vorwurf | |
| erpresserischen Menschenraubs, schwerer räuberischer Erpressung und | |
| gefährlicher Körperverletzung. Die Anklage geht davon aus, dass B. in jener | |
| Nacht das Auto fuhr und mitbekam, wie seine zwei Mittäter das Opfer mit der | |
| Faust und einem Wagenheber auf die Oberarme schlugen und bedrohten. | |
| Der 65-jährige S. berichtet, er sei immer wieder nach Geld gefragt worden, | |
| insbesondere von einem bulligen Hannoveraner, der sich als Albaner | |
| vorstellte. Er habe jemanden getötet und gehöre zu einem Clan mit 400 | |
| Familien, weswegen man S. jederzeit finden werde. Der dritte Täter sei | |
| blond gewesen und hätte einen Zopf gehabt. | |
| Auf einem Feld im Norden Berlins habe der Albaner ihm eine Pistole in den | |
| Mund gesteckt: „Jetzt ist es vorbei“, habe er, S., gedacht. Dann wurden ihm | |
| die Hände mit dem Kabelbinder gefesselt. Man habe ihn mit dem Gesicht auf | |
| den Acker gedrückt und schreiend aufgefordert, „das veruntreute Geld“ | |
| zurückzuzahlen. „Auf dem Feld haben sie mich eine halbe Stunde bearbeitet“, | |
| sagt S. Dann trieb man ihn wieder zum Wagen und steckte ihn in den | |
| Kofferraum. 500 Euro wöchentlich, forderte der Albaner von ihm. S. | |
| versprach zu zahlen. | |
| Am S-Bahnhof Buch hielt der Wagen. Die Entführer schmolzen den Kabelbinder | |
| mit einem Feuerzeug und warfen den Schwerverletzten in eine Grünanlage. | |
| Zwei Jugendliche fanden ihn und riefen die Polizei. S. konnte den Beamten | |
| nicht sagen, warum man ihm das angetan haben könnte. Erst zufällig wurde B. | |
| später bei einer Verkehrskontrolle mit Drogen erwischt, in seinem Auto | |
| fanden die Polizisten Dokumente von Iwan S., die ihm bei der Entführung | |
| abgenommen worden waren. | |
| Iwan S. schien das wenig zu freuen. Obwohl er B. vor Jahren kennengelernt | |
| hatte, wollte er ihn bei der Tat nicht erkannt haben. Zögerlich berichtete | |
| der eigentlich redegewandte Mann mit dem Bürstenhaarschnitt, der selbst 15 | |
| Jahre wegen Drogenhandels in Haft saß, von einem Safe, den B. in seiner | |
| Wohnung deponiert hatte und aus dem er Pakete holte und hineinlegte. S. | |
| wollte „geahnt“ haben, dass es sich um Illegales handelte. Einige Wochen | |
| vor der Tat habe er B. gebeten, nicht mehr zu kommen, weil der sich nicht | |
| an Zeiten hielt. | |
| Im Safe fand die Polizei Spuren einer weißen Substanz und eine | |
| Präzisionswaage. Von Drogen will das Opfer nichts gewusst haben. Dem | |
| Gericht fiel es sichtlich schwer, dem Zeugen zu glauben, dass er alles | |
| sagt, was er weiß. Der Angeklagte schaute zufrieden zu seinem Opfer | |
| herüber. | |
| 20 Sep 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Uta Eisenhardt | |
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