# taz.de -- „Wir hatten ein Monster kreiert“ | |
> Wie ein US-Bauunternehmer den Crash von 2008 erlebt hat | |
Vor genau 10 Jahren saß ich beim Arzt: „Doc, mit mir stimmt was nicht. Ich | |
kippe bald tot um.“ Ich war damals Projektentwickler und Mitinhaber einer | |
Firma, die vor allem Luxushäuser baute. Wir kauften Land und zogen darauf | |
teure Immobilien hoch. Bauland, das eben noch 60.000 Dollar gekostet hatte, | |
war plötzlich 100.000 wert. In Wilmington im Bundesstaat North Carolina | |
planten wir Wohnhäuser auf kleinen Inseln direkt am Fluss – malerisch. Es | |
gibt ein Foto von mir und dem Bürgermeister mit einer goldenen Schaufel | |
beim ersten Spatenstich. | |
Dann hörte ich von der Subprime-Krise. „Subprime? Das sind wir nicht“, | |
dachte ich. „Schaut euch unsere Projekte an, wir sind prime.“ Bald wurde | |
mir klar, dass unsere Kunden Teil des Problems waren: Diejenigen, die Geld | |
haben – und das unbedingt zeigen wollen. Kleine Leute, aber auch | |
Wohlhabende haben sich bis in die Haarwurzeln verschuldet. Ende 2006 merkte | |
ich, wie sich das Geschäft verlangsamte. Für eines unserer Projekte hatten | |
wir Verträge mit sechs Käufern: Plötzlich stieg einer nach dem anderen aus. | |
Richtig stutzig wurde ich bei der Kalkulation für ein anderes Projekt: Wir | |
rechneten damit, dass wir Häuser für 13,50 Dollar pro Quadratmeter bauen | |
können. Als gelernter Zimmermann weiß ich, wie viel Arbeit und welche | |
Materialkosten anfallen. Mir war klar, dass wir beim Verkauf mindestens 16 | |
bis 20 Dollar pro Quadratmeter ansetzen mussten. Gleichzeitig war unser | |
Verkaufspreis zu hoch, 1,5 Millionen Dollar pro Haus. 1,3 Millionen Dollar | |
waren schon zu optimistisch. | |
Beim Meeting mit meinen Partnern schlug ich Alarm: „Jungs, ihr glaubt, dass | |
wir mit dem Projekt 12 Millionen Dollar verdienen können – ich fürchte aber | |
eher, dass wir 2 Millionen Miese machen.“ Doch die anderen verzogen keine | |
Miene: „Wir ziehen das jetzt durch. Unterschreib einfach.“ Ich wusste, dass | |
das Mist gewesen wäre – und habe gekündigt. Ende 2007 war ich raus. | |
Zum Glück, denn: Das Unternehmen ging bankrott. Ich war fein raus – bis | |
plötzlich die Bank anklopfte: Für einen Kredit hatte ich nämlich persönlich | |
gebürgt. Unweit von Wilmington hatten wir Bauland für 250.000 Dollar | |
gekauft, um darauf ein Haus zu bauen. Die Bank interessierte es nicht, dass | |
die Firma nicht mehr existierte. Ich hatte mit drei Partnern mit unserem | |
privaten Vermögen gebürgt. Die Bank versteigerte das Land für 40.000 | |
Dollar, die Differenz wollten sie von uns. Ich zahle noch fünf Jahre, bis | |
ich das Ding los bin. | |
Nach dem Crash habe ich mich auf meine Wurzeln besonnen: Ich übernehme | |
wieder Zimmermanns-Jobs und berate Immobilienkäufer, worauf sie in unserer | |
Hurrikan-Region achten müssen, zum Beispiel wegen Überflutungen. Die Zeit | |
der Millionenaufträge ist vorbei, aber ich trauere dem nicht nach. Der | |
Stress damals! Wir hatten ein Monster kreiert. | |
Protokoll: Jasmin Lörchner | |
14 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Lörchner | |
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