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# taz.de -- der rote faden: Der Dienstleister: Twittern mit Horst Seehofer
Bild: Foto: privat
Durch die Woche mit Klaus Raab
Endlich, aber wirklich endlich: Bundesinnenminister Horst Seehofer hat in
dieser Woche mit dem Twittern begonnen. Wenn einer beim Gezwitscherdienst
bislang gefehlt hat, dann er. Der CSU-Chef hat ein Video eingesprochen, das
von dem Account seines Innenministeriums verbreitet wurde, und darin hat
Seehofer mitgeteilt, dass er von nun an auch mit eigenen Tweets am Start
sei.
Das ist ein origineller Weg. Man kann ihn vergleichen mit der
handschriftlichen Niederlegung der eigenen E-Mail-Adresse, die man dann
einscannt und per Mail an alle Freundinnen und Freunde verschickt.
Ich will mich aber nicht lustig machen über Leute, die das ganze
Internetzeugs vielleicht nicht handbuchgemäß beherrschen. Man kann das ja
auch „eigenen Stil“ nennen.
Ich frage mich nur: Warum will Horst Seehofer twittern? Wer bis jetzt ohne
auskam, würde es auch weiter schaffen, und über einen Mangel an
Veröffentlichungsmöglichkeiten kann er sich eigentlich auch kaum beklagen.
Er selbst hat in seinem Video zur Begründung gesagt: „Politik ist heute
eine Dienstleistung für die Bürger.“ Ist das so? Ich finde, Politik soll
gesellschaftliche Prozesse gestalten und nicht meine Steuererklärung
erstellen.
Was heißt das: „Dienstleistung für die Bürger“? Wenn man Politik so
versteht, wird man sich wohl oder übel fragen müssen, was „die Bürger“ d…
so wollen. Und das Dumme an Twitter und allen anderen Social Media ist:
Wenn man herausfinden will, ob „die Bürgerinnen und Bürger“ vielleicht
genau das wollen, was man eh schon selber für ihren Willen hält, dann wird
man seine Bestätigung dort leicht finden. Man schaut aus dem Fenster und
merkt gar nicht, dass es ein Spiegel ist.
Ich fände es besser, wenn Horst Seehofer einmal die Woche die „starke
Zivilgesellschaft“ besuchen würde, von der er dann in seinem ersten
tatsächlich eigenen Tweet sprach. Aber nicht die, die in Chemnitz auf die
Straße geht und gar nicht merkt, haha, dass sie mit Leuten mitmarschiert,
die „für jeden toten Deutschen einen toten Ausländer“ fordern. Sondern
vielleicht einfach nur die, die einen Nazispruch als solchen erkennt, wenn
sie einen hört.
Ich habe aber den Eindruck, dass dieses technische Bild von Politik
ziemlich dominant ist und zu den eigentlichen Problemen gehört, die gelöst
werden müssen. Es begegnet einem nicht nur bei Seehofer. Auch in Talkshows,
bei „Maybrit Illner“ etwa am Donnerstag, wird das Bild einer Politik
beschworen, die „Probleme lösen“ soll.
Welche Probleme hat, nur zum Beispiel, die EU gelöst? Ja, klar, sie hat zum
Beispiel das Telefonieren im innereuropäischen Ausland billiger gemacht.
Aber die Sicherung von Frieden und Freiheit über Jahrzehnte kann man
schwerlich unter den Kategorien „Problemlösung“ und „Dienstleistung“
verbuchen.
Wenn man sich aber statt auf die Gestaltung von Gesellschaft auf
Problemlösung kapriziert, ist immer noch die Frage: Wessen Probleme
eigentlich? Gerne genannt werden ja dann die Probleme der Lautesten, die
sich den passendsten Markennamen gegeben haben, also der selbst ernannten
„besorgten Bürger“.
Die hat jedenfalls der junge CDU-Abgeordnete Philipp Amthor in der Talkshow
ins Spiel gebracht. Man müsse sie verstehen und ernst nehmen, sagte er. Und
ja, das kann man wirklich gerne machen. Man kann nur nicht das politische
Handeln nach ihnen ausrichten.
Elmar Theveßen vom ZDF hat in derselben Talkshow den Soziologen Max Weber
paraphrasiert und, darauf aufbauend, ein Bild geschaffen, das etwas
sonntagsrednerisch wirkt, aber gar nicht schlecht ist. „Man hat den
Eindruck, als säße man in einem Eisenbahnzug von großer Geschwindigkeit,
wäre aber im Zweifel, ob auch die nächste Weiche richtig gestellt werden
würde.“ So Weber.
Theveßen befand nun, viele im Land würden den Eindruck Webers teilen: dass
sie in einem Hochgeschwindigkeitszug säßen, ohne zu wissen, wie die Weichen
gestellt seien. Also, so Theveßen, müsse auf die Gleise Verlass sein. Wer
aber etwa die Existenz eines rechten Mobs, den es nun einmal gegeben hat,
leugne, wie es etwa Sachsens Ministerpräsident getan hat, oder wer auch mal
von Medien als „Fake News“ spreche wie Seehofer, nehme Schotter unter den
Gleisen weg.
Das Bild, wie gesagt, ist etwas pastoral, aber es ist stimmig. Der Begriff
von Politik als Dienstleistung oder Problemlösung ist extrem verkürzt. Wenn
man sich die zu lösenden Probleme dann auch noch von jenen vorkauen lässt,
die sich nicht als rechten Mob bezeichnen lassen wollen, nur weil neben
ihnen der Hitlergruß gezeigt wird, wird es düster.
Und mit dem Bild von konservativen Politikern, die Gleise schottern,
entlassen wir Sie nun ins Wochenende.
Nächste Woche Johanna Roth
15 Sep 2018
## AUTOREN
Klaus Raab
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