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# taz.de -- Max König Fast Italien: Der Tod ist ein Junge aus München, weißt…
Nennen wir sie Katinka. Nehmen wir an, sie sei Krankenschwester und kümmere
sich.
Der Tod ist ein Junge aus München. Wir sind mit ihm zusammen an einem Tisch
gesessen, weißt du’s noch, Katinka? Weine nicht, du musst mich trösten. Der
Tod stand mir näher als dir. Verarzte mich, Katinka, pflastere mich mit
Pflastern zu. Überall Blut, das keiner sieht, nur du, Katinka, du siehst
die Spritzer. Dir reiche ich meine zittrige Hand, dir vertraue ich. Es ist
deine Aufgabe, anderen zu helfen, und du bist gut darin. We focus on the
pain, the only thing that’s real.
Dein weißer Kittel wirkt so rein nach der Schlacht, Leid auf beiden Seiten.
Deine azurblauen Augen, dein schwarzes Haar, der weiße Kittel, ich stelle
mir dich mit Flügeln vor. Wir schaufeln uns ein Grab in den Wolken, da
liegt man nicht eng, was meinst du, Katinka?
Der Tod ist ein Junge aus München. Wir haben Wein und Brot mit ihm geteilt,
weißt du’s noch, Katinka? Du hast ihm die Hand gereicht, und er hat sie
genommen. Bereust du’s jetzt? Weine nicht, Katinka. Du hast einen weißen
Kittel an. Du musst mich trösten. Der Tod stand mir näher als dir. Er hat
mir eine warme Hand gereicht, und ich habe eine kalte gespürt. Ob ich es
bereue, fragst du? Nein, Katinka, ich bereue es nicht. Ich erinnere die
warme Hand.
Lass uns zum Griechen gehen, Katinka, dort ist es schattig und der Wein
macht stumm. Wir können den Kindern beim Spielen zusehen und uns beim
Weinen. Lass uns trinken, bis es dunkel wird, dann zünden sie Kerzen an,
die flackern im Wind.
Der Tod ist ein Junge aus München. Er stand nicht unter jemandes Ägide.
Weine nicht, Katinka, wir hatten keinen Schild, Leid auf beiden Seiten,
auch sie hatten keinen Schild.
Es ist spät, der schläfrige Grieche schließt seine Pforten. Nach Hause
gehen können wir nicht, von den Wänden bröckelt der Schmerz. Lass uns dem
Himmel nahe sein, du weißt, die Türe steht immer offen. Dort oben auf dem
First des Daches da träumt man so schön, wenn die Kinder friedlich
schlafen. Du reichst mir die Flasche, ich fülle das Glas, aus dem wir beide
trinken. Jamas, Katinka, jamas! Dein schwarzes Haar bedeckt dein Gesicht,
sieht aus wie ein Trauerschleier. Schau, Katinka, schau, von hier aus wirkt
alles irreal, als sei es eine leblose Skizze. Weißt du noch, wie wir
lachend durch die Straßen tanzten? Wir waren so viele, und jetzt sind wir
nur noch zwei. Jamas, Katinka, jamas! Lass uns trinken, das mildert die
Qualen.
Der Tod ist ein Junge aus München. Wir sind mit ihm zusammen an einem Tisch
gesessen und haben Wein und Brot geteilt. Wir haben ihm die Hände gereicht,
und er hat sie genommen. Lass uns tanzen, Katinka, hier auf dem First,
stehend kommt man dem Himmel ganz nah, und unten wartet das Grab.
Dann stehen wir still, setzen uns nieder. Der Tod hat zwei Seiten, sage
ich. Ja, sagt Katinka, er hat eine warme und eine kalte Hand. Ich reiche
Katinka das Glas, sie trinkt.
30 Aug 2018
## AUTOREN
Max König
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