# taz.de -- Umziehen für umme | |
> Arbeitgeber und Gewerkschaften der Fleischindustrie fordern für den neuen | |
> Tarifvertrag die Vergütung der Umkleidezeiten. Dem Ministerium fehlt | |
> dafür die Rechtsgrundlage | |
Bild: Arbeitskleidung für Fleischer: Um die Umkleidezeit wird nun gestritten | |
Von Maren Knödl | |
Die Fleischindustrie gilt als eine der am schlechtesten bezahlten Branchen | |
in Deutschland. Rund 17 Prozent der fleischverarbeitenden Betriebe befinden | |
sich in Norddeutschland. 2015 erreichte die Gewerkschaft | |
Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zumindest die Bezahlung des Mindestlohns | |
für Arbeitnehmer in Schlachthöfen und fleischverarbeitenden Unternehmen. | |
Anfang des Jahres ist der Tarifvertrag mit dem Verband für | |
Ernährungswirtschaft in Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt neu | |
verhandelt worden. Zusätzlich zum Mindestlohn forderten Gewerkschaft und | |
Arbeitgeber die Bezahlung von Rüstzeiten – darunter fallen Umkleide- und | |
Wegezeiten bei der Arbeit. Vorgeschlagen wurde eine Pauschale von 30 Euro | |
monatlich. | |
Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hält diese Forderung für rechtswidrig. | |
Um den Tarifvertrag allgemeingültig zu machen, müsste aber zunächst die | |
nötige Rechtsgrundlage durch das Ministerium erlassen werden. Dieses | |
befürchtet allerdings, die Pauschalierung von Rüstzeiten könnte zu | |
Unterschreitungen des Mindestlohns führen. | |
Denn rechnet man die Pauschale von 30 Euro auf einen Arbeitstag herunter, | |
ergäbe das eine Vergütung von 1,50 Euro. Die Umkleidezeit dürfte also nicht | |
länger als zehn Minuten dauern, damit der Mindestlohn noch eingehalten | |
würde. | |
## Lohn für jede Minute | |
Laut BMAS sind „nach geltendem Recht, Rüstzeiten in der Fleischwirtschaft | |
auch jetzt schon zu vergütende Arbeitszeit und werden bei Kontrollen durch | |
die zuständigen Zollbeamten auch so gehandelt“. Und auch die Dokumentation | |
der Arbeitszeiten sei durch das Arbeitnehmergesetz GSA Fleisch bereits | |
strenger reglementiert worden. Dieses wurde im letzten Jahr eingeführt, um | |
die Rechte für Arbeitnehmer in der Fleischwirtschaft besser zu schützen. | |
Dazu schreibt es beispielsweise vor, dass Arbeitszeiten noch am selben Tag, | |
und direkt zum Arbeitsbeginn erfasst werden. So soll jede Minute Arbeit | |
entlohnt werden. „Mit einer Pauschale ist das gar nicht zu machen“, sagt | |
eine Sprecherin des BMAS. | |
Der Arbeitgeberverband sieht das anders. „Für uns ist die Vergütung der | |
Umkleidezeit eine dringende Forderung“, sagt Geschäftsführer Michael | |
Andritzky. Das sei ein Problem, das nur arbeits- oder tarifvertraglich | |
geregelt werden könne. Denn das Arbeitszeitgesetz lasse hier noch einigen | |
Spielraum. Als Arbeitszeit gilt demnach die Zeit vom Beginn bis zum Ende | |
der Arbeit. Gerade in der Fleischwirtschaft, darf die Arbeitskleidung oft | |
aus hygienischen Gründen nicht mit nach Hause genommen werden. Das Umziehen | |
außerhalb der Arbeitszeit ist also gar nicht möglich. | |
In der Realität beginnt die Arbeit aber oft erst nach dem Anlegen der | |
Arbeitskleidung. Das zeigen, laut Andritzky, zahlreiche Klagen von | |
Arbeitnehmern gegen die Nichtvergütung der Umkleidezeit. Die meisten seien | |
bis heute von den Gerichten abgewiesen worden. Durch die Pauschale sollte | |
das für die gesamte Fleischwirtschaft geregelt werden. | |
Das BMAS sieht in der Pauschale eher eine Benachteiligung der Arbeitnehmer. | |
Eine Notfallklausel im Tarifvertrag sollte zwar die Unterschreitung des | |
Mindestlohns verhindern,damit würde die Verantwortung aber lediglich auf | |
die Arbeitnehmer abgewälzt, indem diese ihre Rüstzeiten selbst erfassen | |
müssten. | |
## Bedenken im Vorfeld | |
Die Gewerkschaft bedauere, „dass die Arbeitgeber zu keiner anderen | |
tarifvertraglichen Lösung als der pauschalen Abgeltung der Umkleidezeiten | |
bereit waren“, heißt es in einer Stellungnahme des zuständigen | |
Referatsleiters Thomas Bernhard. Und auch Theo Egbers, Vorsitzender des | |
Sozialpolitischen Ausschusses der deutschen Fleischwirtschaft ist | |
enttäuscht: „Die Fleischwirtschaft steht zu tariflichen Mindestbedingungen | |
und hat das durch den Tarifabschluss zum Ausdruck gebracht.“ | |
Laut BMAS seien Bedenken an dem Vorschlag des Arbeitgeberverbandes schon im | |
Vorfeld deutlich gemacht worden. Trotzdem habe die Arbeitgeberseite sie | |
mehrfach mit dem Vorschlag konfrontiert. | |
29 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Maren Knödl | |
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