# taz.de -- heute in bremen: „Schwer getroffene Verlierer“ | |
Interview Karolina Meyer-Schilf | |
taz: Herr Mann, fast glaubt man, schon alles über die Familie Mann zu | |
wissen – Sie aber erzählen in Ihrem Buch deren „unbekannte Geschichte“. | |
Jindrich Mann: Wer weiß schon alles? Und übrigens, wer zählt zu der | |
Familie? Ich nenne es für mich einen „dokumentarischen Roman“ und | |
vielleicht wird Ihnen dies oder jenes erst bekannt, nachdem sie es dort | |
gelesen haben. | |
Sie sind in Prag aufgewachsen, weit weg vom Rest der Familie Mann und all | |
ihrer Exzentrik. War das Fluch oder Segen für Sie? | |
Es war für mich weder Fluch noch Segen, es war für mich eine interessante | |
Tatsache, dass es einerseits gar keine eigene Verwandtschaft in meiner | |
unmittelbaren Umgebung gibt, dafür welche in der sagenhaften unbekannten | |
Welt hinter dem eisernen Vorhang, der zu meiner Kindeszeit noch sehr eisern | |
war. Und dass ich zu einer Veranstaltung irgendwie doch gehöre, deren | |
Konturen sich für mich erst peu a peu zeichneten. Aber es war insgesamt | |
etwas, was mich wirklich kaum innerlich bewegte. | |
Ihre Familie ist nach dem Prager Aufstand nach Deutschland emigriert. Wie | |
war das für Sie, hier auf die sogenannte „68er-Generation“ zu treffen? | |
Es gab nur Gegensätzlichkeiten. Sie schwenkten rote Fahnen, ich bin vor | |
diesen geflohen. Sie vergötterten Diktatoren und wollten mir einreden, | |
diese sind keine, oder wollen, falls sie doch welche sind, der Menschheit | |
nur wohltuende Sachen diktieren. Sie wollten ihre Vorfahren nachträglich | |
besiegen, ich mochte die meinen. Mir sagte weder die Politik noch die | |
Poetik, die sie mir präsentierten, zu. Und die ihrer Gegner auch nicht | |
unbedingt. Erst nach Jahrzehnten habe ich auch das Positive, das sie zur | |
Entwicklung der alten Bundesrepublik beigesteuert haben, schätzen gelernt. | |
Die 68er aus dem „Westen“ haben ihren Gang durch die Institutionen gehabt, | |
und führten dabei – jeder trägt an seinem Schicksal, klar – insgesamt ein | |
interessantes, amüsantes, erfolgreiches Leben. Die 68er im „Osten“ und in | |
der damaligen Tschechoslowakei speziell, waren 20 Jahre lang schwer | |
getroffene Verlierer. | |
Seit 1989 leben Sie wieder in Prag. Welche Rolle spielt der Prager Frühling | |
in der Wahrnehmung der Tschechen heute? | |
Das Ende davon – die Invasion der Armeen – eine große. Es hat für | |
Jahrzehnte die Lebensläufe und Charaktere geformt, Entscheidungen | |
aufgezwängt, die über Jahre in das Leben fast jeder Familie irgendwie, | |
meist schwerwiegend, einwirkten. | |
28 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
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