# taz.de -- berliner szenen: Schick, cool und schlau aussehen | |
Am Bahnhof Zoo mache ich mir einen Spaß daraus, zu raten, welche der | |
Wartenden mit mir an den Wannsee fahren werden. Das Jüngelchen mit Trench, | |
wundem Blick und erbarmungswürdigem Leinenbeutel lässt mich Billers und | |
Aydemirs Hipstermordfantasien im Geist nochmal durchspielen. Ein anderer, | |
mit Druckfahne auf dem Schoß und regelmäßigem Einkommen – beim | |
Kleidungskauf reicht es für edle Neuware – ist sicher Lektor. Beide sehe | |
ich später am LCB wieder. | |
In der Getränkeschlange hinter mir steht ein für seine originelle | |
Interviewtechnik bekannter Autor, von dem Radio Eins sogleich ein Buch | |
wissen möchte, das ihn zuletzt „umgehauen“ habe. Er vertröstet, um sich | |
dann mit seiner Begleitung darüber auszutauschen, wie großartig es doch | |
wäre, unerkannt zu sein und „sich die ganzen Idioten mal von außen | |
anzusehen“. Ich drehe mich halb um, lächle ihn an und will gerade | |
entgegnen, dass ich, was für ein Zufall, haha, genau so unterwegs sei und | |
mir grad ein Zwei-Euro-Pfandglas mit Wein drin zum Dran-Festhalten kaufe, | |
pralle aber an seinem harten Blick ab, voll gedisst. | |
Dabei sehe ich doch heute so schön aus, habe extra den neuen | |
Chanel-Lippenstift drauf, bei dem mich Männer normalerweise so ansehen, als | |
sei ich ein Marmeladenbrot. Aber hier ist nicht der Wedding, ich bin nicht | |
Susanne Schneider, mir sind Blicke oder Nichtblicke von „Männern“ so was | |
von wurscht. Dafür sehe ich tolle junge und tolle alte Frauen. Schick, cool | |
und schlau sehen die aus. Besonders freue ich mich über die coolen Alten, | |
immer auf der Suche nach Rolemodels. Derweil erzählt Biller ins Mikro, dass | |
er nicht verstehen könne, warum Autoren so viele Lesungen machen würden. | |
Natürlich, um nicht am Milchaufschäumer stehen zu müssen, Mann. So | |
abgehoben will ich auch mal sein. Kirsten Reinhardt | |
28 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Kirsten Reinhardt | |
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