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# taz.de -- wir lassen lesen: Ballistische Betrachtung
> Endlich gibt es die ganz eigene Tennis-Poetologie von David Foster
> Wallace auf Deutsch zu lesen
Bild: David Foster Wallace, Ulrich Blumenbach (Hrsg.): „Der Spaß an der Sach…
Tennisprofi Andrea Petkovic ist ein bekennender David-Foster Wallace-Fan.
„Der schreibt so geil über Tennis“, sagte sie einmal in einem Interview mit
der Süddeutschen Zeitung. Sie erzählte aber auch, wie Ana Ivanovic,
Ex-Tennisspielerin und Frau von Bastian Schweinsteiger, auf ihre
Leseempfehlung reagierte: „Andrea, so ein Schwachsinn.“
Tatsächlich machte es David Foster Wallace, dessen Todestag sich am 12.
September zum zehnten Mal jährt, seinen Leserinnen und Lesern nicht immer
leicht. Im Roman „Unendlicher Spaß“ etwa, in dem eine der Hauptfiguren ein
junger Tennisspieler ist, beschreibt Foster Wallace seitenweise und
akribisch Tennisturniere und Ballwechsel. Für manche sicherlich ermüdend,
für andere genial.
Die etwas schlankere Variante seiner Tennis-Literatur ist gerade in Form
der fünf Tennis-Texte erschienen, die der 1962 geborene David Foster
Wallace verfasst hat. Sie sind Teil, nämlich 138 Seiten, der über
1.000-seitigen Ausgabe „Der Spaß an der Sache“ (Kiepenheuer & Witsch), in
der alle Essays von Foster Wallace zusammengestellt wurden – zum Teil
erstmals in deutscher Übersetzung. Der Schriftsteller war selbst in seiner
Jugend ein erfolgreicher Tennisspieler. Man merkt seinen Texten an, wie er
Tennis lebt und verehrt, seine Beobachtungen und Beschreibungen zeugen von
einer großen Kenntnis des Sports. „Tennis erfordert Körperbeherrschung,
Feinmotorik, hochgetourtes Tempo, Ausdauer und diese seltsame Mischung aus
Bedachtsamkeit und Ungehemmtheit, die wir Mut nennen. Und Tennis erfordert
Köpfchen.“
Über Tennis zu schreiben, erfordert auch außerordentliche Fähigkeiten –
zumal so über Tennis zu schreiben wie David Foster Wallace. Die fünf
Tennis-Essays gleichen einem anspruchsvollen und fesselnden
Fünf-Satz-Match. Herausragend ist sein Text über Roger Federer, den er 2006
im Wimbledon-Finale gegen Rafael Nadal beobachtet hat. In „Federer aus
Fleisch und nicht“ beschwört er die Spielkunst des Schweizer Profis:
„Federers Vorhand ist eine grandiose flüssige Peitsche und seine einhändige
Rückhand kann er flach dreschen, mit Topspin versehen oder mit Slice
schlagen – mit so viel Unterschnitt, dass der Ball in der Luft rotiert und
beim Aufkommen nur knöchelhoch weiterrutscht.“
Für Foster Wallace ist Federer ein anbetungswürdiger Athlet, eine
Lichtgestalt, fast nicht von dieser Welt und kaum physikalischen Gesetzen
unterworfen. Das wiederum stellt Foster Wallace auf anbetungswürdige Weise
dar. In allen fünf Tennis-Essays zeigt der Autor die ganze Bandbreite
seiner Schreibkunst. In „Sportableitungen in der Tornado Alley“ blickt er
zurück auf seine Jugend im windigen Illinois und schafft seine eigene
Tennis-Poetologie mit geometrischen Details über Tennisplätze und
ballistischen Betrachtungen von Flugbahnen der Bälle.
Er verdeutlicht überzeugend seine Enttäuschung über die „grottenschlecht
geschriebene“ Biografie von Tracy Austin, dem „ersten echten Kinderstar im
Damentennis“. Er entblößt das Drumherum bei den US Open als gnadenlose
Geschäftemacherei. Und er zeigt am Beispiel des Spielers Michael Joyce, wie
unerbittlich die Anforderungen an weniger bekannte Tennis-Profis sind.
David Foster Wallace ist fraglos die Nummer eins der
Tennisautoren-Weltrangliste und rangiert damit noch vor John McPhee, Thomas
Mann, Lars Gustafsson und Rita Mae Brown. Seine Texte sind Tennis. Die
Schachtelsätze mit Abschweifungen gleichen langen, wild umkämpften
Ballwechseln, seine präzisen Darstellungen entsprechen den kerzengeraden
Linien eines Tennis-Courts, es folgt Pointe auf Pointe wie Ass auf Ass bei
einem Wimbledonfinale der Männer. David Foster Wallace war der Roger
Federer des literarischen Journalismus – auch wenn sein bombastischer Stil
mit Exkursen und Fußnoten den einen oder anderen Leser ins Schwitzen
bringen könnte. Der Übersetzer Ulrich Blumenbach spielt ebenfalls ganz
großes Tennis. Ihm gelingt es eindrucksvoll, den Foster-Wallace-Sound ins
Deutsche zu übertragen.
Der einzige Wermutstropfen ist – verglichen mit der Tragik des viel zu
frühen Todes von Foster Wallace jedoch ein sehr kleiner –, dass die Texte
aus einer fernen Tennis-Vergangenheit stammen, aus den Jahren 1991 bis
2006. Was hätte Foster Wallace wohl zu sagen über das exzessive Stöhnen im
Frauentennis, über die gehockte Rückhand von Angelique Kerber oder einfach
über Erdbeeren mit Sahne in Wimbledon? Wie wunderbar wäre es, könnte David
Foster Wallace auch heute noch über Tennis schreiben. Jutta Heess
22 Aug 2018
## AUTOREN
Jutta Heess
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