# taz.de -- „Es ist ein Lernprozess“ | |
> Aushalten? Ansprechen? Zurückstecken? Was Angehörige von bipolaren | |
> Menschen tun können | |
Interview Luisa Willmann | |
taz am wochenende: Frau Wagenblast, wie können sich Angehörige auf Phasen | |
der Manie und Depression vorbereiten? | |
Barbara Wagenblast: Für Angehörige und Betroffene ist es wichtig, | |
Frühwarnzeichen zu erkennen. Eine Manie etwa kündigt sich an mit | |
vermindertem Schlaf, Aufgedrehtsein, höherer Leistungsfähigkeit. Beim | |
Anbahnen einer Depression hilft manchen Betroffenen zum Beispiel Bewegung | |
in der Natur oder Joggen. Es ist ein Lernprozess. | |
Bipolare Menschen haben während einer Krise oft „ihre eigene Wahrheit“, | |
etwa eine Selbstüberschätzung während einer Manie. Die Angehörigen | |
bipolarer Menschen fühlen sich oft hilflos oder sind wütend auf die | |
Betroffenen. Wie können sie damit umgehen? | |
Versprechen werden nicht gehalten. Konten geplündert. Betroffene gehen | |
fremd. Solche Handlungen lösen bei den Angehörigen starke Gefühle aus, sie | |
sind zutiefst verletzt. Das Zauberwort heißt entpersonalisieren: „Es ist | |
nicht mein Mann, der fremd geht, es ist die Krankheit.“ | |
Wie geht man als Angehöriger damit um, wenn der Betroffene in seiner | |
manischen Phase lügt? | |
Mit einem Menschen, der voll in der Manie ist, lohnt es sich nicht, zu | |
diskutieren, denn er lebt in seiner eigenen Welt. Wichtige Entscheidungen | |
sollten verschoben werden. | |
Welche Schritte sind nach einer Krise wichtig? | |
Nach der Manie ist es vorteilhaft, Vorsorge zu treffen. Angehörige und | |
Betroffene sollten das Wahrgenommene zu Papier bringen, ohne | |
Schuldzuweisungen, um bei erneuten Auftreten der Frühsymptome gegensteuern | |
zu können. Das bietet ihnen Schutz, aber keine totale Sicherheit. Alles | |
sollte in Absprache mit den Betroffenen passieren. Dabei sind klare | |
Aussagen wichtig: zum Beispiel Konsequenzen, wenn der Betroffene die | |
Medikamente zum wiederholten Male nicht genommen hat. | |
Eine Bipolare Erkrankung bedingt ein 20-fach höheres Suizidrisiko. Wie | |
können Familien mit der Angst um ihre erkrankten Angehörigen umgehen? | |
Das ist ganz schwierig. Angehörige sollten die Suizidgedanken ansprechen. | |
Das kann erleichternd für den Betroffenen sein. Ist es besonders kritisch, | |
sollte der Betroffene zum eigenen Schutz in die Klinik eingewiesen werden. | |
Kritisch bedeutet, wenn die Menschen sagen: „Ich halte es nicht mehr aus.“ | |
Sie fühlen sich innerlich tot. | |
Wie erklärt man die Krankheit den Kindern? | |
Es gibt viele gute Kinderbücher, in denen ein Elternteil eine Depression | |
erlebt. Es ist wichtig, mit den Kindern zu reden: „Der Papa ist krank, | |
deswegen konnte sie dir wieder kein Essen kochen.“ Viele Angehörige denken, | |
dass die Kinder es nicht mitbekommen – aber das stimmt nicht, sie bekommen | |
es mit, sind verängstigt und verstört. Wenn die Mutter in ihrer manischen | |
Phase unangemessen schimpft, muss man den Kindern erklären, dass es zur | |
Krankheit gehört, dass sie es nicht so meint. | |
Sollten Angehörige also offen mit der Krankheit umgehen? | |
Ja, es kann unterstützen, einige Menschen aus dem sozialen Umfeld | |
miteinzubeziehen: Wen kenne ich, der mit meinen Schilderungen vertraulich | |
umgeht? Es hilft auch, mit anderen Angehörigen und Betroffenen zu sprechen, | |
Selbsthilfegruppen zu besuchen. Ein Verheimlichen, eine Tabuisierung | |
belastet noch mehr. Leider werden psychische Krankheiten immer noch von der | |
Gesellschaft stigmatisiert, fatal. | |
Haben Sie einen letzten Ratschlag für die Angehörigen? | |
Die ausgefahrenen Antennen, welche man nach einer Krise hat, wieder | |
einfahren: Nicht jede schlechte Stimmung ist gleich eine Depression. Und: | |
Was Gutes für sich tun, auftanken. Es ist wichtig, sich selbst nicht zu | |
vergessen. Nur dann kann man einen labilen geliebten Menschen unterstützen. | |
Hilfe Die DGBS bietet für Betroffene und Angehörige ein Beratungstelefon | |
an: (0700) 33 34 44 55 | |
11 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Luisa Willmann | |
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