# taz.de -- Ein zäher Prozess | |
> Bürgerbeteiligung macht Arbeit: Zur Bürgerveranstaltung um die künftige | |
> Nutzung des Flughafens Tempelhof kommen nur rund 40 Leute | |
Bild: Bürgerbeteiligung: Jede Idee, wirklich jede, ist erst mal willkommen | |
Von Daniel Stoecker | |
Wer sich auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof nicht | |
auskennt, muss eine Weile suchen, um den unscheinbaren Eingang zur alten | |
Zollgarage zu finden. Schließlich verrät ein Lageplan den Weg: Vom Platz | |
der Luftbrücke aus den Ehrenhof überqueren, vor dem Haupteingang links den | |
Säulengang durch Bauteil G2 passieren, über den Innenhof an der Tanzschule | |
vorbei und in den Bauteil F2. | |
Bereits das Umherirren um die hohen Fassaden und verschlossenen Türen gibt | |
einen ersten Eindruck dessen, worum an diesem Abend in der Zollgarage geht. | |
„Es ist die größte städtische Immobilie, die wir haben“, begrüßt | |
Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) die Gäste. Die Tempelhof Projekt | |
GmbH, deren Aufsichtsratsvorsitzende Lompscher ist, hat zur | |
Bürgerveranstaltung eingeladen, um über die Zukunft der alten | |
Flughafengebäude zu sprechen. | |
Etwa 40 Personen sind gekommen. Draußen auf dem ehemaligen Rollfeld liegen | |
zur selben Zeit wahrscheinlich mehrere hundert in der Abendsonne. Seit Ende | |
des Flugbetriebs vor knapp zehn Jahren ist das Tempelhofer Feld zu einem | |
der beliebtesten Parks in Berlin geworden. Seit dem Volksentscheid 2014 | |
schützt es sogar ein eigenes Gesetz. Für die Gebäude hingegen fehlt es noch | |
an einem konkreten Konzept. Das soll sich nun unter Mitarbeit der | |
Stadtgesellschaft ändern. | |
Mit einer breiten Ideensammlung war das Projekt „Zukunft Flughafen | |
Tempelhof“ bereits im November vergangenen Jahres gestartet. Es konnten | |
Vorschläge und Anliegen für die zukünftige Nutzung der Flughafengebäude | |
eingereicht werden. Anschließend wurde aus Bewerbungen interessierter | |
Bürger*innen ein Gremium gewählt, das nun über ein Jahr lang Leitlinien und | |
Formate für eine konstruktive Bürgerbeteiligung entwickeln soll. „Wir | |
brauchen Offenheit, wir brauchen Transparenz und wir brauchen die | |
Mitwirkung der Stadtgesellschaft“, betont Lompscher in der Zollgarage. | |
Lediglich 22 Bewerbungen waren eingegangen. Zwölf Menschen wurden für die | |
sechs Mitgliedspositionen und sechs Stellvertretungen gewählt. Eines der | |
Gremiumsmitglieder ist Miron Daniel Jakubczyk. Für ihn ist das Projekt eine | |
Herzensangelegenheit. Der 44-Jährige ist Geschäftsführer der Tanzschule | |
Traumtänzer, die seit 21 Jahren ihre Räumlichkeiten im Inneren der | |
Flughafengebäude hat. Jakubczyk erinnert sich noch an das Ende des | |
Flugbetriebs, daran, wie immer mehr Gewerbe den Standort verließen und die | |
Flächen schließlich leer blieben. „Jetzt wirkt das ganze restliche Gebäude | |
groß und distanziert“, klagt er, „wenn man tagsüber hier ist, ist es | |
wirklich traurig.“ | |
Jakubczyk will wieder Leben ins Areal bringen. Auch deshalb habe er sich | |
für das Gremium beworben. Die Pläne der Senatsverwaltung, aus dem | |
ehemaligen Flughafen einen offenen Ort für die Menschen zu machen, seien | |
auch für ihn ein neuer Impuls gewesen. „Man macht sich gar keine Gedanken | |
über die Größenordnung dieses Gebäudes und was für Möglichkeiten da sind, | |
das ist schon spannend.“ | |
Der Prozess ist umfangreich: erst die Ideensammlung, nun das Gremium und im | |
nächsten Jahr die Bürgerbeteiligung. Alle sollen die Möglichkeit haben, | |
sich einzubringen, jeder Schritt gemeinsam getan werden. Mit dem Gremium | |
startet nun gewissermaßen eine kleine Bürgerbeteiligung, die die spätere, | |
große Bürgerbeteiligung plant. | |
Doch so sorgfältig wie der Prozess ist, so zeitaufwändig ist er auch. Erst | |
ab September 2019 wird es zusammen mit der Stadtgesellschaft um die | |
konkreten Fragen gehen. Was geschieht mit welchem Gebäudeteil? Welche | |
Flächen werden offen zugänglich und zu welchen Zwecken? Welche Mietparteien | |
und Gewerbe werden kommen? Und dann ist da noch die Frage der | |
Wirtschaftlichkeit. „Wir können ganz viele Ideen sammeln, wir können ganz | |
viel machen“, erklärt Sabine Slapa, Geschäftsführerin des | |
Stadtentwicklungsbüros Raumplaner, das die Gremiumsarbeit koordiniert, | |
„aber es muss natürlich auch wirtschaftlich getragen werden.“ | |
Online wirbt das Projekt mit dem Ziel, den ehemaligen Flughafen zu Berlins | |
neuem Stadtquartier der Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft zu machen. Bis | |
dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Denn selbst, wenn in den kommenden | |
Jahren ein Konzept erarbeitet wird, so muss es auch umgesetzt werden. | |
Aktuell sind die Gebäude nicht saniert und stehen außerdem unter | |
Denkmalschutz, der bei baulichen Maßnahmen berücksichtigt werden muss. | |
„Wenn wir an einer Ecke fertig sind, fangen wir an einer anderen wieder | |
an“, warnt Lompscher daher vorsichtig, „es ist ein permanenter Prozess des | |
Umbauens, des Reparierens, des Nutzens – der positiven Erfahrungen und der | |
Enttäuschung.“ | |
Im Fall Tempelhof soll es auch deshalb von Beginn an transparent zugehen. | |
Das Gremium, in dem neben Berliner Bürger*innen unter anderem auch | |
Mitglieder der Senatsverwaltung und der Tempelhof Projekt GmbH sitzen, soll | |
eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Politik und Stadtgesellschaft | |
organisieren. Nach dem Blankenburg-Debakel wird ein Schwerpunkt dabei | |
sicher auch die Kommunikation zwischen Verwaltung und Öffentlichkeit sein. | |
Darin sieht auch Anne Schmidt ihre Stärken. Wie Jakubczyk wurde sie für das | |
Gremium ausgewählt. Als Ausstellungsmacherin mit großem Interesse an sozial | |
nachhaltiger Stadtgestaltung hat die 38-Jährige bereits Erfahrung im | |
Vermitteln komplexer Themen an Nichtexpert*innen. Zwar kennt sie die Kritik | |
an Beteiligungsprozessen, doch die Teilnahme daran ist für sie auch ein | |
demokratischer Akt. „Man macht sich das manchmal gar nicht bewusst, dass | |
wir heute die Zukunft gestalten und dafür die Verantwortung tragen.“ | |
Sie geht daher optimistisch an den bevorstehenden Prozess heran. „Ich habe | |
großes Vertrauen in die Ideen der Bürger und darin, diese sichtbar zu | |
machen“, erklärt Schmidt, „sonst wäre ich nicht hier.“ Wichtig sei es i… | |
zudem, allen Menschen diese Partizipation zu ermöglichen, ohne einige von | |
vornherein auszuschließen. Das beginne schon bei der Organisation der | |
Veranstaltungen. Wenn diese tagsüber stattfänden, könnten beispielsweise | |
Berufstätige gar nicht erst teilnehmen. | |
Während Schmidt spricht, beginnt hinter ihr bereits die Gruppenarbeit der | |
Veranstaltung. Die Beteiligung aller an dem Prozess ist hier Thema. Denn | |
auch wenn bei der Auswahl der Gremiumsmitglieder auf Vielfalt geachtet | |
wurde, so sind längst nicht alle Interessensgruppen vertreten. Dies müsse | |
in der Bürgerbeteiligung anders laufen, mahnt daher eine Frau. Sie weist | |
darauf hin, dass sich im Gremium kein einziger Mensch im Rollstuhl befinde, | |
Barrierefreiheit aber trotzdem ein wichtiges Thema in der Planung sein | |
müsse. Breite Zustimmung, nicken, Applaus. | |
Allen Beteiligten ist ihre Motivation anzumerken und die Zollgarage bietet | |
dazu ein passendes Ambiente: Stahlträger, Kabel und Rohre an der Decke, | |
Leuchtröhren an metallenen Ketten – die Szenerie erinnert an Umbau, an | |
Aufbruch. „Jeder, der eine Idee hat, auch wenn sie erst mal komplett absurd | |
ist, soll mitmachen“, betont Gremiumsmitglied Jakubczyk freudig. Es sei in | |
seinen Augen nicht Aufgabe der Verwaltung, kreativ zu sein. Er setze | |
vielmehr auf die Ideen und den Mut der teilnehmenden Bürger*innen. | |
Gegen Ende der Veranstaltung wird deutlich, dass sich der Planungsprozess | |
noch am Anfang befindet. Vorschläge können ohne konkrete Fragen der | |
Realisierbarkeit und Finanzierung in den Raum geworfen werden. Diskussionen | |
entstehen kaum, die Beiträge der wenigen verbliebenen Gäste scheinen | |
uneingeschränkt willkommen. Nur hin und wieder werden sanfte Warnung | |
vorgebracht: Man werde sich an den Denkmalschutz des Gebäudes halten | |
müssen, es müsse einen realistischen Finanzierungsplan geben, einige | |
Bauteile seien bereits an die Polizei vermietet, andere würden seit Jahren | |
für regelmäßige Veranstaltungen genutzt. | |
Wie jeder Beteiligungsprozess beginnt auch die Zukunft des Tempelhofer | |
Flughafens mit wagen Ideen und Wunschvorstellungen vieler. Raum für Kunst, | |
Platz für Start-ups und günstige Mieten: inklusiv, kreativ und hip. Doch | |
wie erfolgreich der Prozess wirklich ist, wird sich erst am Ende zeigen, | |
wenn all die Wünsche von der finanziellen, politischen, sozialen und | |
zeitlichen Realität geerdet wurden. | |
21 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Daniel Stoecker | |
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