# taz.de -- Die Frau, die dem Privaten nicht entkommt | |
> Das Londoner Victoria and Albert Museum widmet Frida Kahlo eine | |
> Einzelausstellung. Bei „Frida Kahlo: Making Her Self Up“ geht es um | |
> Kahlos Kleider- und Lebensstil. Leider greift die Ausstellung bei diesem | |
> interessanten Thema dann doch etwas zu kurz | |
Bild: Fasziniert von den matriarchalen Kulturen: Frida Kahlo mit Olmec-Figurine… | |
Von Natalia Bronny | |
Es klingt fanatisch, dabei ist es schlichtweg wahr: Frida Kahlo ist | |
überall. Die mexikanische Malerin ist in den letzten Jahren zur Popikone | |
avanciert. Zusammengewachsene Augenbrauen und kunstvoll gestecktes Haar, | |
mit Bändern oder Blumen verziert: Das ist, was Frida zu Frida macht – auf | |
Taschen und Tassen, auf Postern, auf Shirts, als Tattoo. Welcome to | |
Fridamania. | |
Und so überrascht es auch nicht, dass ein renommiertes Haus wie das | |
Londoner Victoria and Albert Museum derzeit Frida Kahlo – geboren 1907, | |
gestorben 1954 – eine Einzelausstellung widmet. Also einer der wenigen | |
weltweit bekannten Malerinnen – wagen Sie den Selbstversuch auf der Suche | |
nach weiteren Namen. | |
Große Werkschauen Kahlos gab es schon vielerorts, in den USA, Russland, | |
Südkorea und in ganz Europa. In „Frida Kahlo: Making Her Self Up“ geht es | |
allerdings nicht um die Kunst der Malerin: Es wird die Geschichte ihrer | |
Mode erzählt, und die ihres Privatlebens. Konzipiert haben die Ausstellung | |
Claire Wilcox und Circe Henestrosa, die beiden Kuratorinnen der | |
Modeabteilung des V & A. Der Andrang ist riesig, Tickets sollten besser | |
vorbestellt werden. | |
Als Tochter eines aus Deutschland emigrierten Fotografen stellt die | |
Londoner Ausstellung Frida Kahlo vor; als Ehefrau des Malers Diego Rivera, | |
und als Geliebte von Leo Trotzki; als Kommunistin, als vom New York der | |
1930er Jahre und von der matriarchalen Kultur der mexikanisch-indigenen | |
Tehuantepec Begeisterte. Als Kranke, die als Kind an Polio litt. | |
Schließlich als lebenslang von Schmerzen Gequälte, seit dem Verkehrsunfall | |
mit 18 Jahren, bei dem sich eine Stahlstange durch ihr Becken gebohrt | |
hatte. Man sieht Frida Kahlo in vielen Fotografien, einigen ihrer Gemälde, | |
die immer sie selbst zeigten, und – was toll ist – in Filmaufnahmen. | |
Der Höhepunkt der Ausstellung ist ein aztekisch anmutender Tempel aus Glas, | |
in dem eine ganze Mannschaft von Frida-Schaufensterpuppen die Kleider der | |
Künstlerin präsentiert. Imposant ist diese Inszenierung, eine Art Schrein | |
für Frida Kahlo – deren Mode wiederum der Kultur mexikanischer Indigener | |
huldigte. | |
Kämme, Medizinfläschchen, Schuhe und mehr sind weiter zu bestaunen – in | |
Schaukästen, die in kleinen Himmelbetten eingefasst eine Aura der Intimität | |
verströmen. Genau 50 Jahre lang war Kahlos persönliches Hab und Gut nach | |
ihrem Tod im Badezimmer der „Casa Azul“ weggesperrt, ihrem Zuhause in | |
Mexiko-Stadt. | |
Im Jahr 2004 wurden ihre Besitztümer geborgen, in London sind sie zum | |
ersten Mal außerhalb Mexikos zu sehen. Neben einem Korsett, das jenem aus | |
dem Gemälde „die zerbrochene Säule“ gleicht, hängt im Raum voller Betten | |
eine beeindruckende Fotografie. Sie zeigt Kahlo in ihrem Bett liegend, den | |
Kopf in einer Schlinge: Diese soll ihren Körper strecken und so von | |
Schmerzen befreien. Über Kahlo: ein „X“ aus Holz. Die Konstruktion | |
ermöglichte es der Malerin, auch bettlägerig zu arbeiten. | |
Für die Fototapete des Raumes wurde ein anderes Bild ausgewählt: Mit | |
offenem Haar, in weichen Wellen über ihre Schulter fallend, lächelt Frida | |
Kahlo dem Publikum darauf zu, wandgroß, wieder in einem Bett. | |
Verführerisch. | |
Frida Kahlo hat mit Geschlechterrollen und Schönheitsidealen gespielt, auf | |
Familienporträts Anzüge getragen und sich einen Damenbart ins Gesicht | |
gemalt. Heute ist sie Aushängeschild eines Feminismus, der sich | |
mainstreamtauglich die Freiheit vom Perfekten und den Willen zum Femininen | |
auf die Fahnen schreibt. Stolze Weiblichkeit, stolze Makel. Auch Madonna | |
ist Fan. Sie selbst, im Porträt: Das ist Kahlos Werk. Kahlos Werk ist | |
Frida. Und deshalb ist es auch legitim, ihrer Person in einer Ausstellung | |
nahekommen zu wollen. Auch bei männlichen Künstlern wird dabei vor | |
seelischem Leiden nicht Halt gemacht, siehe Vincent van Gogh. | |
Es ist auch legitim, wenn nicht sogar im Sinne einer feministischen | |
Betrachtung von Kultur erfreulich, Mode selbstverständlich als Disziplin | |
der schönen Künste zu behandeln, wie es das V & A macht. | |
Aber: Dass Frida Kahlo – ob nun als Malerin oder frühe Modeikone – auf ihre | |
Zeit einwirkte, ist der Ausstellung keine Überlegung wert. Hinweise darauf | |
muss sich das Publikum selbst erschließen, etwa durch eine Ausgabe der | |
Modezeitschrift Vogue aus dem Jahr 1937, in der Kahlo als Fotomodel | |
auftrat. Oder durch eine Fotografie, die die Künstlerin nackt zeigt – | |
ausgerechnet hier, in den Bilddetails, versteckt sich der Hinweis, dass | |
Kahlo 1938 erstmals in New York ausstellte. | |
Die Frau, die aus dem Privaten nicht herauskommt: das Dilemma der | |
Geschlechter, es strahlt bis in die Gegenwart. | |
Der Zoom auf die Person hinter einem Werk ist Standard der | |
kunsthistorischen Erzählung. Eine Ausstellung aber, die derart nah | |
herantritt, dass das Publikum buchstäblich im Schlafzimmer der Künstlerin | |
landet, muss auch wieder herauszoomen, das Werk innerhalb der | |
Kulturgeschichte einordnen. Sie muss es einmal mehr, wenn endlich die Bühne | |
für eine Malerin eröffnet wird. | |
Wer das anders sieht, wird sich am Begleitprogramm zur Ausstellung | |
erfreuen: Stick-, Näh- und Schminkkurse bietet das Museum an. Wie | |
eingeschlichen wirkt da ein mehrwöchiges Seminar zur Kunst von Frida Kahlo | |
im Kontext ihrer Zeit. Zumindest in dessen Beschreibung lernen wir: „The | |
Mexican painter Frida Kahlo is regarded as one of the great artists of the | |
20th century.“ | |
Bis 4. November, V & A, London, Katalog 30 Britische Pfund | |
30 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Natalia Bronny | |
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