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# taz.de -- Adorno fliegt raus
> Das St.-Pauli-Museum setzt die Hamburger Studienbibliothek auf die
> Straße. Am Montag endet die Frist, doch so schnell wollen die linken
> Bibliothekare nicht gehen. Nun droht nicht nur ein Rechtsstreit, sondern
> auch das Ende des gemeinnützigen Projekts
Von Naomi Bruhn
Das St.-Pauli-Museum hat der Hamburger Studienbibliothek (HSB) den
Mietvertrag zum 31. Juli gekündigt. Die Bibliothek ist ein seit 26 Jahren
bestehendes gemeinnütziges Projekt mit etwa 10.000 Büchern, hauptsächlich
zu Themen aus Gesellschaft, Politik und Geschichte. Die Bibliothekare sehen
sich in der Tradition der Frankfurter Schule und organisieren auch
Diskussionsveranstaltungen.
Schon im vergangenen Jahr musste die HSB ihre Räumlichkeiten in der
Hospitalstraße, wo sie 13 Jahre lang untergekommen war, wegen
Sanierungsarbeiten verlassen und zog zur Untermiete in das
St.-Pauli-Museum. Ein Mitglied des Museumsvorstandes habe den Verwaltern
der Bibliothek versprochen, dass sie dort mindestens fünf Jahre bleiben
könnten – so zumindest erzählt es Lars Ehlers, Sprecher der HSB.
## Zerrüttetes Verhältnis
„Wir haben den Fehler gemacht, dass wir auf das Wort der Vermieter vertraut
haben“, sagt Ehlers. Auch die Höhe der Miete sei über die nächsten fünf
Jahre in dem Mietvertrag festgelegt gewesen. Allerdings auch eine
vierwöchige Kündigungsfrist, von der das St.-Pauli-Museum nun Gebrauch
gemacht hat und den Mietern ohne Vorwarnung am 4. Juli kündigte. Jetzt ist
die Bibliothek mitsamt der 10.000 Bücher obdachlos und auf der Suche nach
einer neuen Bleibe.
Auf Nachfrage nach dem Grund für die Kündigung erhielten die
Bibliothek-Verwalter keine Antwort. Beide Seiten bestätigen aber, dass ihr
Verhältnis schon vorher ein schwieriges war. „Wir haben uns bewusst dazu
entschlossen, nicht in die Diskussion zu gehen“, sagt Eike Reinert,
Vorstandsmitglied des St.-Pauli-Museums.
Kurz vor der Kündigung, so berichtet es Ehlers, sei der HSB eine neue
Hausordnung vorgelegt worden, die vorgesehen habe, dass alle vermieteten
Flächen „Stillarbeitsplätze“ seien. Gespräche in der Bibliothek seien da…
quasi verboten worden – aus Sicht von Ehlers eine reine Schikanemaßnahme
für die Bibliothek.
Nun bahnt sich ein Rechtsstreit an. Auf Bitten der HSB hatte der Vorstand
des Museums der Studienbibliothek zunächst mündlich eine Fristverlängerung
zugestanden – um sie drei Tage später wieder zurückzuziehen. Die Verwaltung
der HSB will auf dieses Zugeständnis aber nicht verzichten und reichte den
Antrag auf Fristverlängerung schriftlich ein. Es sei ihnen nicht möglich,
so kurzfristig einen neuen Standort für die Bibliothek zu finden,
argumentieren die Bibliothekare und verlangen einen Aufschub von einem
Monat. Falls der ihnen nicht gewährt werde, wollen sie einfach trotzdem
bleiben und es auf eine Räumungsklage ankommen lassen.
„Wir sind an keinerlei Eskalation interessiert, aber wir brauchen mehr
Zeit“, sagt Ehlers. Wenn sie keinen neuen Standort finden, müssten sie
Bücher einlagern und das gemeinnützige Projekt erst mal auf Eis legen.
Auf Nachfrage der taz beim Vorstand des St.-Pauli-Museums erklärt dieser
schriftlich, es habe mehrfach Regelverstöße in Form von Lärmbelästigungen
gegeben. Außerdem sei es wiederholt zu einer privaten Nutzung der
gewerblichen Räume gekommen. Es hätten sogar Leute in der Bibliothek
geschlafen. Von der fünfjährigen Planungssicherheit sei zudem nie die Rede
gewesen. Der Museumsvorstand verweist auf die Ordnungsmäßigkeit des Handels
– die vierwöchige Kündigungsfrist sei schließlich im Mietvertrag verankert
gewesen.
Trotz aller Differenzen erklärt der Vorstand: „Wir erachten die Arbeit der
HSB und die dahinterstehenden Ideen als äußerst unterstützenswert und
besonders 2018 als wichtigen Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit
gesamtgesellschaftlichen Tendenzen und Themen.“
## Beleidigende E-Mail
Auf Nachfrage, warum der Museumsvorstand die Fristverlängerung nach wenigen
Tagen zurückgezogen habe, verweist dieser auf eine beleidigende E-Mail, die
allerdings nur auf Umwegen an das St.-Pauli-Museum geraten sei. Die HSB
habe die Mail an den Kiezfotografen und Gründer des St.-Pauli-Museums,
Günter Zint, adressiert, der sie weitergeleitet habe. Was darin stand, sagt
Museumsvorstand Reinert nicht – nur, dass es „sehr beleidigend“ gewesen
sei. So beleidigend, dass der Museumsvorstand das Mietverhältnis daraufhin
unverzüglich habe beenden wollen.
Ob es wirklich zur Räumungsklage kommt, will der Vorstand noch beraten. „Es
ist noch offen, was wir weiter tun“, sagt Reinert. Für eine Räumungsklage
braucht es einen Satzungsbeschluss des gesamten Vorstandes.
28 Jul 2018
## AUTOREN
Naomi Bruhn
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