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# taz.de -- Ismail Ismail Im Augenblick: Ein Gespräch mit Bahzad
Beim letzten Mal hatte ich erzählt, wie ich neulich meinen Freund Bahzad
Dawoud in Hannover begegnet war – sieben Jahre, nachdem wir uns in Syrien
aus den Augen verloren hatten.
Wir hatten ein Gespräch über seine Theaterarbeit begonnen – drei Fragen,
drei Antworten waren das in der letzten Kolumne. Aber so kurz ist es
natürlich nicht gewesen: Wir unterhielten uns noch stundenlang weiter, über
Details seines Stücks, seine Lieblingsszene, die auch meine war, über einen
Film, den er derzeit dreht … Wir fragten uns, ob die deutschen
Zuschauer*innen nicht irgendwann genug vom Flüchtlingsthema haben könnten –
„Nein!“, widersprach Bahzad, „das Flüchtlingsthema kann nicht beendet
werden bevor eine Lösung gefunden wird“, immerhin sei die Zahl der
Flüchtlinge weltweit heute auf 60 Millionen gestiegen, so etwas müsse man
bearbeiten, durch Politik oder Kunst. „Aber ich mag keine Politik. Also
muss es Kunst sein“, sagte er etwas spitz. Und dann kamen wir auf den
Unterschied der Theaterarbeit hier zu der in unserer Heimat:
Ich: „Ich erinnere mich daran, wie ihr die Stücke in Kamishly aufgeführt
habt, nämlich ohne richtige Bühne, mit häufigen Stromausfällen und fast
immer musstet ihr außerhalb der Stadt auf dem Feld auftreten. Was bedeutet
es für dich, jetzt Schauspiel mit kompletter Ausrüstung zu machen?“
Bahzad: „Jedes Mal nach einer Aufführung in Kamishly, wenn ich nach Hause
ging und den Staub von meinen Klamotten weggemacht habe, nachdem Tausende
bei meinem Lachen gelacht, sich über meinen Tanz gefreut und angesichts
meiner Trauer geweint hatten, traf die Freude mein Herz. Das hatte zwei
Gründe: die Zahl der Zuschauer_innen und wer diese Zuschauer_innen waren.
Mit einem Blick auf deren Gesichter wurde es mir klar, dass sie unter
großen Anstrengungen zum Newroz-Fest gekommen sind, mit leeren Taschen,
aber trotzdem hierher gekommen sind. Meine Arbeit machte deutlich, dass ich
ihr Elend fühle, das auch meins ist. Ich erleide dasselbe und möchte dieses
gemeinsame Leid nur deutlich machen. Hier steht fast alles zur Verfügung
und dadurch ist der Genuss am Tun meiner Meinung nach geringer. Brauchst du
Kostüme, bekommst du sie, brauchst du Musik, bekommst du sie ebenfalls, und
die Bühne ist selbstverständlich da. Unsere Bühne in Kamishly war das Feld.
Überall waren Staub und Steine. Wenn wir uns etwas gönnen, konnten und das
war sehr selten, dann haben wir den Boden mit Teppichen belegt, um darauf
aufzuführen oder zu tanzen und dabei vom Staub verschont zu bleiben. Das
Fehlen all dieser Sachen hat unserem Theater paradoxerweise seine Bedeutung
verliehen.“
Ich konnte das total nachvollziehen, aber ich kann es schwer erklären, denn
selbstverständlich kann man auch in Deutschland Theater auf der Straße oder
irgendwo aufführen, ohne Bühne oder irgendetwas zu haben, und es wäre
trotzdem nicht das Gleiche. Ohne Ausrüstung Musik oder Theater zu machen,
war nicht unsere Entscheidung. Es war einfach die einzige Möglichkeit.
Das ist es, glaube ich, was den Genuss zu spielen für ihn größer gemacht
hat. Es ist so ähnlich wie damals, als ich in Bulgarien im Gefängnis war.
Ich teilte dort eine Zelle mit 15 bis 20 Menschen. Es war
selbstverständlich verboten, Messer zu haben. Deswegen haben wir aus Dosen
Messer gemacht, um Salat zu schneiden. Der bestand wirklich nur aus
Tomatenscheiben und Gurken mit Salz. Aber er war leckerer als jeder Salat,
den ich jetzt mit vielen verschiedenen Zutaten mache.
13 Jul 2018
## AUTOREN
Ismail Ismail
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