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# taz.de -- nordđŸŸthema: Eine Frage der Haltung
> Ein neuer pĂ€dagogischer Ansatz im Fokus der Weiterbildung: Die „Neue
> AutoritĂ€t“ will PĂ€dagogInnen helfen, ohne Bestrafungen mit aggressivem
> und destruktivem Verhalten von Kindern und Jugendlichen umzugehen
Bild: Vorbild Martin Luther King: Der US-BĂŒrgerrechtler (hier am 28. August196…
Von Marthe Rudat
Was mache ich, wenn ein SchĂŒler oder eine SchĂŒlerin andere schlĂ€gt? Wie
gehe ich mit Provokationen und verbalen Angriffen richtig um? Wenn
Konsequenzen und Strafen bei Kindern und Jugendlichen nicht helfen,
gelangen LehrerInnen, ErzieherInnen und andere FachkrÀfte im Umgang mit
inakzeptablem Verhalten ihrer SchĂŒtzlinge hĂ€ufig an ihre Grenzen, sind
frustriert und ĂŒberlastet.
[1][Haim Omer, Professor fĂŒr klinische Psychologie in Tel Aviv], hat als
Antwort auf diese Problematik ein Konzept entwickelt, das die traditionelle
Vorstellung von AutoritĂ€t durch eine Neue AutoritĂ€t ersetzt. Es grĂŒndet auf
der Idee des gewaltfreien Widerstands von Mahatma Gandhi und Martin Luther
King. Gehorsam und Kontrolle weichen professioneller PrÀsenz und
deeskalativer Beziehungsarbeit.
Gemeinsam mit seinem OsnabrĂŒcker Kollegen Arist von Schlippe brachte Omer
[2][das Konzept] vor knapp 15 Jahren nach Deutschland. FachkrÀfte aus
PÀdagogik, Sozialarbeit und Psychologie können durch Fortbildungen die
Grundlagen dieses Konzepts erlernen und sich zum Coach fĂŒr Neue AutoritĂ€t
ausbilden lassen.
„Neue AutoritĂ€t ist eine Haltung, keine Technik“, sagt Klaus Peters. Er
arbeitet in der Kinder- und Jugendhilfe sowie als Psychotherapeut in
Hamburg und bietet gemeinsam mit seinen Kolleginnen bei Ankerplatz 3 solche
Fortbildungen an. Anders als verhaltenstherapeutische AnsÀtze, bei der
konkrete Verhaltensweisen trainiert werden, basiert das Konzept der Neuen
AutoritÀt auf einer systemischen Idee. Den Kindern und Jugendlichen soll
also nicht anerzogen werden, wie sie sich zu verhalten haben.
Stattdessen bildet eine stabile Beziehung die Basis fĂŒr den Umgang mit
Problemen. Grundlage dafĂŒr ist die StĂ€rkung und Sicherheit der
Erziehungsverantwortlichen. Sie machen sich selbst klar, was ihnen in der
Arbeit wichtig ist und machen ihr Handeln damit unabhÀngig vom Verhalten
ihres GegenĂŒbers. Die PĂ€dagogInnen zeigen den Kindern und Jugendlichen,
dass sie auch in schwierigen Situationen ohne Wenn und Aber fĂŒr sie da
sind. Dennoch gelten klare Regeln fĂŒr den gemeinsamen Umgang. Omer und
Schlippe nennen das die „professionelle PrĂ€senz“ und „wachsame Sorge“.
Bestrafungen werden dadurch hinfĂ€llig. „Durch Strafen unterlassen Kinder
und Jugendliche ihr Verhalten zwar vielleicht, sie verstehen aber den Grund
fĂŒr die Bestrafung nicht unbedingt“, erklĂ€rt Peters. „Wenn sie hingegen d…
entstandenen Schaden – vielleicht mit UnterstĂŒtzung – wieder gut machen,
ist die Beziehung nicht weiter belastet.“
Im Sinne der Neuen AutoritĂ€t erklĂ€ren Erwachsene ihren SchĂŒtzlingen also,
basierend auf ihren klar formulierten Werten, warum ein bestimmtes Tun fĂŒr
sie nicht in Ordnung ist. Es folgt jedoch keine unmittelbare Konsequenz
durch Bestrafung. Stattdessen gehen die PĂ€dagogInnen immer wieder
vorbehaltslos und mit Wohlwollen auf die Kinder und Jugendlichen zu,
sprechen die Problematik immer wieder an, geben der Konfliktlösung viel
Zeit. „So kommen die Kinder selbst zum Denken und reflektieren ihr eigenes
Handeln.“ Im besten Fall sehen sie ihr Fehlverhalten ein. Genau darin
besteht laut Peters der Vorteil des Konzepts der Neuen AutoritÀt. Es
entlaste die Verantwortlichen vom Zwang der schnellen Reaktion und
verhindert die MachtkĂ€mpfe, mit denen sie sich hĂ€ufig selbst unwohl fĂŒhlen.
In der Ausbildung von PĂ€dagogInnen und ErzieherInnen hat sich das Konzept
der Neuen AutoritÀt noch nicht durchgesetzt. Das Hamburger Landesinstitut
fĂŒr Lehrerbildung und Schulentwicklung bietet fĂŒr BerufsanfĂ€ngerInnen,
BeratungslehrerInnen und SchulleiterInnen jedoch bereits einige
entsprechende Fortbildungen an. Auch sozialpÀdagogische FachkrÀfte können
am Hamburger SozialpÀdagogischen Fortbildungszentrum lernen, mit
professioneller PrÀsenz mit destruktiven Verhaltensweisen von Kindern und
Jugendlichen umzugehen.
„Das Konzept kann aber nicht durchgehalten werden, wenn nur eine Person
eine Fortbildung besucht oder ein Buch liest“, sagt Klaus Peters. Die
PĂ€dagogInnen brĂ€uchten den RĂŒckhalt wenigstens einiger KollegInnen, sonst
laste zu viel Druck auf den Einzelnen. Die UnterstĂŒtzung durch andere ist
deshalb elementarer Bestandteil der Neuen AutoritÀt.
Das [3][Netzwerk Neue AutoritÀt Hamburg] bietet VortrÀge und Fortbildungen
fĂŒr interessierte TrĂ€ger und Einrichtungen in Hamburg und dem Umland an.
Wer das Konzept in seinem Team oder seiner Einrichtung selbst voranbringen
möchte, kann sich berufsbegleitend zum Coach fĂŒr Neue AutoritĂ€t ausbilden
lassen, zum Beispiel beim [4][Systemischen Institut fĂŒr Neue AutoritĂ€t]
(Syna) im niedersÀchsischen Bramsche. Die TeilnehmerInnen können sich dort
auf einen bestimmten Arbeitsbereich spezialisieren, etwa das Coaching im
Kontext Schule.
Die Fortbildung umfasst insgesamt 14 Unterrichtstage und kostet etwa 2.000
Euro. Es können jedoch auch einzelne Module besucht werden, wodurch sich
die Kosten entsprechend reduzieren. Das Syna bietet ebenfalls
Inhouse-Fortbildungen fĂŒr interessierte Einrichtungen in ganz Deutschland
an.
Einen [5][Grundkurs Neue AutoritÀt] können FachkrÀfte aus pÀdagogischen,
sozialen oder psychologischen Berufen an der Via-Nova-Akademie in Itzehoe
absolvieren. Das sechstÀgige Seminar kostet 825 Euro. Beide Fortbildungen
sind noch nicht durch die entsprechenden FachverbÀnde zertifiziert und
werden deshalb nicht fĂŒr Bildungsurlaubstage anerkannt.
Auch Eltern, deren Beziehung zu ihren Kindern durch Konflikte geprÀgt ist,
können mit Hilfe des Konzepts der Neuen AutoritÀt neue Möglichkeiten im
Umgang mit ihren Kindern kennenlernen. Entsprechende Coachings werden in
der Regel durch die SozialpÀdagogische Familienhilfe gefördert und sind
dadurch meist kostenlos.
Haim Omer/Arist von Schlippe: „AutoritĂ€t ohne Gewalt. Coaching fĂŒr Eltern
von Kindern mit Verhaltensproblemen“, Vandenhoeck & Ruprecht 2016, 214 S.,
28 Euro;dies.: „StĂ€rke statt Macht. Neue AutoritĂ€t in Familie, Schule und
Gemeinde“, Vandenhoeck & Ruprecht 2016, 360 S., 28 Euro;
Haim Omer/Philip Streit: „Neue AutoritĂ€t. Das Geheimnis starker Eltern“,
Vandenhoeck & Ruprecht 2016, 145 S., 15 Euro
7 Jul 2018
## LINKS
[1] http://people.socsci.tau.ac.il/mu/haimomer/cv/
[2] https://www.youtube.com/watch?v=I83VwInV5Gg
[3] /www.neueautoritaet-hamburg.de/:
[4] https://www.neueautoritaet.de/
[5] /www.vianova-akademie.de/events/events/Grundkurs_Neue_Autorit%C3%A4t_2018.h…
## AUTOREN
Marthe Ruddat
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