# taz.de -- Die Ruhe zwischen zwei Tönen | |
> Elias Canetti, Wolfgang Koeppen und der deutsche Schlager: Die Reihe | |
> „Schauplätze geistiger Erfahrung“im Zeughauskino stellt ab Mittwoch den | |
> Filmemacher Peter Goedel in einer Werkschau vor | |
Bild: Ein Abgeordneter reibt sich auf im Kampf gegen Adenauer: Szene aus Peter … | |
Von Peter Nau | |
Neun Filme von Peter Goedel, dessen Name vorerst noch einen gewissen | |
esoterischen Klang in den innersten Zirkeln der Filmkunst hat, wählte das | |
Zeughauskino für seine Werkschau aus. Das ist ungefähr ein Drittel des | |
Oeuvres dieses Filmemachers von drängender Begabung mit dem Bewusstsein | |
eines Auftrags. | |
1943 in Torgau an der Elbe geboren, 1961 in den Westen geflohen, studierte | |
Peter Goedel in München und Köln. Hier ergaben sich Kontakte zum WDR. Als | |
Koproduktion mit dem ORF entstand 1975: „Elias Canetti. Eine Reise in die | |
Provinz des Menschen“. Canettis Frage, wie der zwanghafte Mechanismus von | |
Befehl und Gehorsam ausgeschaltet werden könnte, beschäftigt auch einen | |
jungen Mann, der in München lebt und die Bücher des Dichterphilosophen | |
liest. Dieser selbst legt eine geradezu somnambulische Ungebrochenheit in | |
der Artikulation seiner Geisteskraft und Beobachtungsgabe an den Tag, | |
während er in seinem Abteil, dann im Speisewagen eines sich von Zürich nach | |
Wien durch pittoreske Bergtäler schlängelnden Zuges sitzt. | |
Drei Jahre nach „Elias Canetti“ sucht Peter Goedel zusammen mit Herbert | |
Hoven einen jungen Mann in dessen Umgebungen (Köln und Bonn) auf; es | |
entsteht: „Rainer, 21 Jahre, möchte Schlagersänger werden“ (1978, ebenfal… | |
eine WDR-Produktion). Im Kölner „Tanzbrunnen“, einer Freilichtbühne, die | |
zwei Jahre später durch „Talentprobe“ (1980) Kultstatus erlangen wird, | |
nimmt Rainer mit „Eine Liebe auf Zeit ist ein Spiel ohne Glück“ und einer | |
deutschen Fassung von „Morning Has Broken“ erfolglos am Wettbewerb teil. | |
Dieser Film, der sich bis heute als Longseller erweist, wurde vom | |
Regisseur, der 1978 in München die Peter Goedel Filmproduktion gegründet | |
hatte, selbst produziert. Gut, dass der Autor/Produzent trotzdem immer | |
wieder einmal zum Fernsehen zurückkehrte, so 1983, als er für die WDR-Reihe | |
„Nachtschalter“ den Beitrag „Rückkehr zu den Sternen. Science und Fictio… | |
realisierte. Schön, wie die technischen Gebilde der Science-Fiction, ihre | |
magische Präsenz und Strahlung, fortwährend eine Fülle uralter Dinge mit | |
heraufbringen ins Bewusstsein. | |
Peter Goedels Filme haben eine große Affinität zur Musik und zur Literatur. | |
In der Verfilmung von Wolfgang Koeppens 1953 erschienenem Roman „Das | |
Treibhaus“ (1987) gehen die vegetabilisch treibenden Bilder des | |
Schriftstellers als die Sätze, die sie sind, in den Film ein. Auf dem Rhein | |
kämpft müde ein Schleppzug gegen die Strömung; im Nibelungenexpress | |
Richtung Bonn sitzt der Abgeordnete Keetenheuve, der sich im Widerstand | |
gegen die Politik der Adenauer-Regierung aufreibt. | |
Große Nähe des Films zum traumdunklen Koeppen. Als Kommentarfilm dazu gibt | |
es „Literatur und Politik im ‚Treibhaus‘ Bonn“ (1989): ein TV-Bericht, … | |
das nachdenkliche Bild einer Gegenwelt zum Politikbetrieb vor uns erstehen | |
lässt. | |
„Es war einmal in Masuren“ (1990) trägt uns den Klang einer untergegangenen | |
Welt, in der Wolfgang Koeppen seine Kindheit verbracht hat, über die Jahre | |
eines langen Menschenlebens hinweg wieder zu. Von einer Zeit, die längst | |
vergangen ist, berichtet auch „Tanger – Legende einer Stadt“ (1997), ein | |
Film, in dem Dokument und Fiktion eine wundervolle Synthese bilden, in der | |
die Kunst des Erzählers, das Wissen des Forschenden und eine bis in die | |
Fingerspitzen gehende Musikalität zu einem Ganzen von eigentümlichster | |
Schönheit zusammentreten. | |
Zwölf Jahre nach diesem Film und 29 Jahre nach „Talentprobe“ trafen sich | |
Peter Goedel und Manfred Behrens noch einmal mit den Schlagersängern von | |
damals. „Zugabe“ (2009) ist ein Film, der uns sagt, dass Vergänglichkeit | |
nicht etwas Trauriges ist. Sie ist so etwas wie die Ruhe zwischen zwei | |
Tönen – der Jugend und dem Alter –, in deren dunklem Intervall sich die | |
Gegensätze versöhnen. | |
Peter Nau, geboren 1942, war lange Jahre Autor der Zeitschrift Filmkritik. | |
Der Text ist ein Vorabdruck der Einführung, die der Autor am Mittwoch zur | |
Eröffnung der Reihe halten wird. | |
Die Filme von Peter Goedel, 4. bis 14. Juli im Zeughauskino | |
2 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Peter Nau | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |