# taz.de -- nord🐾thema: „Brennnesselkuchen hat ein nussiges Aroma“ | |
> Die beiden Biologinnen Lore Otto und Katharina Henne haben das Kochbuch | |
> „Hamburgs wilde Küche“ verfasst. Für die Rezepte braucht es Zutaten vom | |
> Wegesrand | |
Bild: Wahrscheinlich auch nicht belasteter als Gemüse aus dem Supermarkt - wen… | |
Interview Sebastian Grundke | |
taz: Frau Henne, was trinken Sie gerade? | |
Katharina Henne: Das ist eine Giersch-Limonade. In die gehören natürlich | |
mehrere Blätter Giersch hinein. Die dürfen auch etwas älter sein, dann | |
haben sie das volle Aroma. Dazu ein Stängelchen Gundermann: Das ist ein | |
sehr herb schmeckendes Kraut und ich finde, das gibt den besonderen Pfiff. | |
Dazu habe ich etwas Pfefferminze und Zitronenmelisse genommen. Eigentlich | |
muss das über Nacht ziehen, damit es aromatischer wird. Die Basis dafür ist | |
Apfelsaft, aufgefüllt wird das Ganze mit Mineralwasser. | |
Sind Zutaten vom Wegesrand nicht oft belastet? | |
Lore Otto: Wir geben absichtlich keine festen Sammelpunkte an, sondern | |
geben Beschreibungen von Gebieten an, wo man suchen kann. Weil wir möchten, | |
dass die Leute ihre Umgebung entdecken. Dadurch bekommt man ein gutes | |
Gefühl dafür, was dort vor sich geht: Laufen da viele Hunde? Sprüht da ein | |
Bauer Pestizide? Auf diese Weise habe ich mehr Kontrolle über meine Nahrung | |
und darüber, wie sie gewachsen ist, als wenn ich im Supermarkt was aus dem | |
Regal fische. Wir hören das natürlich oft: Ich weiß das ja gar nicht, ob da | |
nicht ein Hund darauf gepieselt hat. Aber das weiß ich beim Rewe-Grünkohl | |
oder bei den Erdbeeren von Aldi ja auch nicht. | |
Da gibt es doch Lebensmittelkontrollen? | |
Henne: Klar, das wird auf Gesundheitsgefährdung geprüft. Aber da gibt es | |
auch nur Grenzwerte. Wenn ich also nicht gerade neben einer dreispurigen | |
Straße meinen Löwenzahn aus den Gehwegritzen kratze, dann glaube ich, dass | |
diese Art von Grenzwerten beim Sammeln nicht so häufig überschritten wird. | |
Aber klar: Solcherlei Kontrolle gibt es bei dieser Art der Küche nicht. Da | |
muss man ein Gefühl für entwickeln. | |
Haben Sie ein Lieblingsrezept? | |
Otto: Ja, auf jeden Fall. Wir haben zum Beispiel für das Frühjahr einen | |
Brennnesselkuchen. Als Katharina mit dem Rezept kam, dachte ich ‚Gucken wir | |
mal!‘. Aber der ist richtig lecker: Er hat eine Limetten-Schmand-Haube und | |
das nussige Aroma der Brennnessel mit dem zitronigen Aroma des Schmands, | |
das schmeckt einfach toll. Das Brennnesselpflücken geht im Übrigen auch | |
ohne Handschuhe. Aber wenn man da etwas mehr pflückt, hat man noch Tage | |
später prickelnde Finger. Ich bin dann eher für die Handschuhe. Und unser | |
Herbstkuchen ist ein tiefdunkler Schokokuchen mit einem | |
Holunder-Cassis-Topping. | |
Moment, es braucht schon noch Zutaten aus dem Laden? | |
Henne: Natürlich. Wir machen ja keine Überlebensküche. Man kann sich | |
wahrscheinlich ein paar Wochen über Wasser halten, indem man nur Löwenzahn | |
knabbert oder Beeren isst. Aber das ist nicht so unsere Vorstellung. Wir | |
mögen gerne essen und genießen das richtig und da braucht es schon noch | |
andere Zutaten zu. | |
Planen Sie weitere Bücher? | |
Henne: Wir haben ein Saisonkochbuch in Arbeit. Auch hier geht es darum, | |
dass ich das nutze und ernte und verwerte, was momentan reif ist – und | |
nicht wie im Supermarkt das ganze Jahr über meine Tomaten kaufe. Ich muss | |
stattdessen eben warten, bis der Holunder blüht. Dann erst kann ich | |
Holunderblütensirup ansetzen. Das Saisonkochbuch soll diese Idee | |
weiterführen und auf alle Obst- und Gemüsesorten, die man normalerweise | |
einfach kauft, ausdehnen. Da geht es nicht so sehr um das Selbersammeln – | |
sondern darum, sich bewusst zu machen, was bei uns selber gerade reif und | |
erntefähig ist und dann nachhaltig genutzt werden kann. | |
30 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Grundke | |
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