Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- In drei Jahren zur WM
> Nach nur drei Jahren als Gewichtheberin gehört die 41-jährige Nina
> Porrmann schonzur Weltspitze. Bei manchen Wettbewerben gibt es allerdings
> auch keine Konkurrenz
Bild: Trainingsplan für GewichtheberInnen: Drei Mal pro Woche trainiert Porrma…
Von Christian Link
Der Weg zum Gipfel ist manchmal kürzer, als man denkt – wenn man die
richtige Route genommen hat. Diese Erfahrung hat zumindest Nina Porrmann
gemacht, die als Enddreißigerin nochmal eben zur internationalen
Spitzenamateursportlerin im Gewichtheben wurde. Beim Reißen und Stoßen
dominiert die Hannoveranerin vom Verein Kenpokan mittlerweile alle Turniere
in ihrer Altersklasse. „Bei welcher Sportart könnte ich nach nur drei
Jahren zu einer Weltmeisterschaft fahren?“, fragt sie und liefert die
Antwort gleich mit: „Das Gewichtheben ist eine schöne Nische.“
Porrmanns sportliche Heimat wirkt wie die Kulisse eines Boxer-Films.
Neonleuchten tauchen das fensterlose Fitnessstudio in ein grelles Licht.
Dutzende Ganzkörpertrainer, Ergometer und Sandsäcke stehen oder hängen wie
an Schnüren aufgereiht. Auf dem Boden liegen abgewetzte Sportmatten. Die
verzinkten Lüftungskanäle an der Decke verstärken den Industriehallencharme
und vermindern den allgegenwärtigen Schweißgeruch.
Die hinterste Ecke der „CrossFit-Box“ ist den Gewichthebern vorbehalten.
Ein Mitglied der bunt gemischten Trainingsgruppe lässt gerade eine
Langhantel auf den Boden knallen. Der Übungsplan steht gut leserlich auf
einer Kreidetafel. Für Laien ist er trotzdem nur ein unverständliches
Durcheinander von Zahlen und ziemlich anstrengend klingenden
Bewegungsabläufen.
## Klassische Fitness gegen Alterserscheinungen
Früher war Porrmann auch mehr im vorderen Bereich der Premium-Muckibude
unterwegs. Weil sie sich mit 30 gesagt hat: „Bevor ich dick werde, mache
ich Sport.“ Mit klassischer Fitness ging es los: Gerätetraining,
Stepperkurse, aber auch mal Kraftausdauertraining mit Flexibar und
Langhantel. „Das, was Frauen halt so machen.“
Da war der Schritt zum Crossfit, wo verschiedene Fitnessdisziplinen
miteinander vermengt werden, nicht weit. Genauso wie die erste
Wettkampfteilnahme im Januar 2014. „Damals habe ich 40 Kilo nicht reißen
können“, erinnert sie sich. Mitte 2015 beginnt sie auf Anraten von Coach
Katja Beckmann das Langhantel-Training. „Das ging nach hinten los, so haben
wir sie ans Gewichtheben verloren“, sagt die Übungsleiterin heute. Beckmann
ist sich sicher: „Beim Crossfit würde Nina auch in ihrer Altersstufe
rocken.“
Jetzt rockt die 41-Jährige im schwerathletischen Zweikampf. 71 Kilo im
Reißen und 81 Kilo im Stoßen hatte sie bei einem Wettkampf im März
geschafft, zusammen 152 Kilo. Am Nikolaustag 2015 waren es noch 92 Kilo.
„Eine Steigerung von 60 Kilogramm ist ordentlich“, kommentiert Porrmann
nüchtern. Bei der Weltmeisterschaft in Barcelona im August will sie noch
eine Schippe drauflegen. „Ich möchte Weltrekorde aufstellen. Ich stehe
gerne in den Rekordlisten drin, das finde ich cool.“
Porrmann hat das Wettkampffieber gepackt: „Die Wettkämpfe sind das, was
mich motiviert, besser zu werden. So allein für mich hätte ich nicht den
Ehrgeiz dazu.“ Die Pokale und Medaillen, die sie nebenbei gewinnt, stellt
sie auf einen Wandvorsprung im Fitnessstudio, wo sie kaum jemand sieht.
Auf nationaler Ebene ist das Gewinnen fast schon zu einfach, bei manchen
Wettbewerben treten so gut wie keine Sportlerinnen in ihrer Altersklasse
an. „Das ist nicht schön, wenn man keine Konkurrenz hat. Der Titel fühlt
sich nicht verdient an, wenn man ihn nicht erkämpft hat.“ Bei der WM wird
das kein Problem sein.
Der Zeitaufwand für ihr Hobby ist überschaubar. Dreimal zwei Stunden pro
Woche ist Porrmann in der CrossFit-Box, am Wochenende kommen gelegentlich
Wettkämpfe dazu. „Mein Mann ist selbst sehr sportbegeistert, der findet das
toll – den Sport und die vielen Muskeln“, sagt sie. Ihre 19-jährige Tochter
hat zum Gewichtheben dagegen wenig Bezug. Porrmann: „Die ist mehr
künstlerisch veranlagt, es überspringt immer eine Generation.“
## Eiserne Disziplin, aber zum Glück keine Ausdauer
„Jede Trainingsstunde ist ein Kampf gegen mich selbst“, sagt Porrmann. Wer
seinen Körper stählt, braucht zwar eiserne Disziplin, glücklicherweise aber
nicht sehr viel Ausdauer. „Wir machen den Sport, weil wir keine Lust auf
Konditionstraining haben“, sagt sie und lacht. Laufen sei nicht so ihr
Ding. Durchhaltevermögen zeigt sie lieber bei der Ernährung. 2.000 Kalorien
pro Tag sind erlaubt. Die meisten entfallen auf typische Sportlernahrung.
Am Wochenende ist aber auch mal Fastfood erlaubt. „Schokopizza mit Quark
ist mein Leibgericht“, sagt sie. Gerade vor Turnieren ist Schlemmen aber
verboten. Zwei Stunden vor dem Wettkampf dürfen höchstens 58 Kilogramm auf
der Waage stehen.
„Durch die Dopingbelastung ist Gewichtheben ein bisschen in Verruf geraten,
aber im Amateurbereich ist das kein Problem“, sagt Porrmann. In den höheren
Altersklassen würden viele Schmerzmittel eingesetzt, aber nicht zur
Leistungssteigerung. Eine Kontrolle hat sie selbst miterlebt, als nach
einem Wettkampf die Prüfer der Anti-Doping-Organisation NADA auf sie
zukamen. Die war natürlich negativ. Porrmann sagt: „Beim Wettbewerb bin ich
nur auf Koffein.“ Denn in den Pausen gibt es Schokolade und Energy Drinks.
Im Urlaub mit Ehemann Torsten gönnt sie Bizeps, Trizeps und Co. auch mal
eine kleine Pause: „Da suche ich mir kein Studio vor Ort, um Gewichtheben
zu machen. Dann gibt es nur Wandern, Sightseeing oder Spazieren.“ Doch
Kraftsport macht süchtig. Nach der letzten WM-Teilnahme wollte Porrmann
eigentlich vier Wochen keine Gewichte anrühren. „Das habe ich zehn Tage
durchgehalten“, gesteht sie. Dann sei sie wieder rückfällig geworden: „Ich
fasse die Hantel an, mache diese Bewegung und merke: Jaa! Das ist das, was
du brauchst.“
Seitdem sie mit dem Gewichtheben angefangen hat, hat sie fünf Kilo
zugenommen. Alles Muskeln. „Die Taille ist eine 34, die Schulter ist ’ne
40. Blusen fürs Büro habe ich abgeschafft, Stretch ist mein bester Freund“,
sagt Porrmann, die als Marketingmanager bei einem Reifenhersteller in
Hannover arbeitet.
Pormanns kräftige Oberarme und das breite Kreuz kommen nicht bei jedem gut
an. „Manche finden das nicht mehr fraulich und nicht mehr schön“, sagt sie.
Komische Blicke sind aber selten, auch wenn sie im Sommer armfrei im Büro
unterwegs ist. „Wenn mich einer anspricht, dann eher positiv.“ Die oft
gestellte Frage, ob sie Sport macht, beantwortet sie mittlerweile
allerdings nur noch patzig. „Ich bin so, wie ich bin“, sagt Porrmann, „und
muskulöse Frauen sind heute ja nicht mehr so eine Seltenheit.“
11 Jun 2018
## AUTOREN
Christian Link
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.