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# taz.de -- Zu früh gefreut?
> Der Berliner Verlagspreis steht auf dem Prüfstand: In einem offenen Brief
> wandte sich das Netzwerk freie Literaturszene Berlin an den Kultursenat –
> und fordert eine Reform des Preises. Doch was konkret wird kritisiert?
Bild: Im Mai hatte Kultursenator Klaus Lederer verkündet, dass es einen Verlag…
Von Mirjam Ratmann
Die Freude in der Literaturszene war groß, als der Berliner Kultursenator
Klaus Lederer (Die Linke) Anfang Mai verkündete, dass es in diesem Jahr
erstmals einen Berliner Verlagspreis geben wird. Ein Förderungsmodell, das
es ähnlich schon in anderen Bundesländern, wie Hessen, Nordrhein-Westfalen
und Sachsen gibt, soll fortan kleinere Independent-Verlage unterstützen.
Doch nicht alle sind zufrieden mit den Bestimmungen rund um den Preis.
Das Netzwerk freie Literaturszene Berlin (nflb) äußerte in einem kürzlich
veröffentlichten offenen Brief an den Kultursenator Kritik, allen voran
daran, dass die freie Szene selbst nicht in die Planung des Preises
miteinbezogen wurde. Moritz Malsch, eines der Vorstandsmitglieder des nflb,
sieht das als Zeichen dafür, „dass von oben nach unten entschieden und
nicht mehr mit den Akteuren der Szene wirklich in den Dialog getreten
wird“. Dem gegenüber steht die Aussage des Pressesprechers des
Kultursenators, Daniel Bartsch, der sagte, dass der Senat eng mit der
Freien Literaturszene im Gespräch sei.
Malsch hat derweil das Gefühl, dass mit dem Preis am Bedarf der Szene
vorbeigeplant worden sei. Ein Hauptkritikpunkt: Literaturmagazine, von
denen es in Berlin geschätzt um die 50 gibt, finden keine Beachtung. Dabei
ist gerade deren Existenz oft bedroht. „Dieses Denken wollen wir etwas an
die Realität anpassen, weil das, was die Magazine machen, genauso
förderwürdig ist“, erklärt Malsch. In ihrem Brief machen sich die
Unterzeichner*innen für Menschen in der Szene stark, die vielerorts, mit
viel Engagement für die Szene, ehrenamtlich oder gering entlohnt arbeiten.
„Independent-Verlage sind in erster Linie Kulturträger und erst in zweiter
Linie Wirtschaftsunternehmen“, heißt es weiter in dem Brief. Damit äußert
das nflb Kritik an der gleichberechtigten Preisvergabe durch den Berliner
Senat für Kultur und Europa und den Senat für Wirtschaft, Energie und
Betriebe. Dass künstlerische Kriterien gleichbedeutend neben solchen wie
Marketing- oder Digitalisierungsstrategien stehen, lehnt das nflb ab. „Man
muss sehr aufpassen, wenn man künstlerische und wirtschaftliche Kriterien
vermischt. Das Ziel von Kunstförderung ist die Förderung von Kunst“, sagt
Malsch. Detlef Bluhm, Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen
Buchhandels, der Träger des Verlagspreises, sieht darin keinen Konflikt:
„Der Berliner Verlagspreis ist kein Kunstpreis. Er trägt vielmehr der
Doppelfunktion von Verlagen als Kultur- und Wirtschaftsunternehmen
Rechnung“.
Das nflb stört sich aber auch an dem Träger – dem Börsenverein – selbst.
Dass ein Wirtschaftsverband, der nicht nach künstlerischen Kriterien
ausgerichtet ist, den Preis in die Hände gelegt bekomme, findet Moritz
Malsch falsch. „Das führt dann dazu, dass diese Perspektive der kleineren
Independent-Verlage, die vielleicht nicht Mitglied im Börsenverein sind,
keine Berücksichtigung findet“, so die Befürchtung des nflb-Vorsitzenden.
Malsch fordert stattdessen ein selbstverwaltetes, basisdemokratisches
Trägerschaftsmodell, bei dem „die, die das betrifft, auch selbst Einfluss
nehmen können“.
Ein ähnliches Problem hat das nflb mit der Jury. „In der Jury soll die
diversitätsbewusste Perspektive von Independent-Verlagen, von literarischen
Magazinen sowie der freien Literaturszene vertreten sein“, lautet eine
Forderung. „Es braucht immer einen Vertreter oder eine Vertreterin, um
diese Perspektive ins Gespräch oder die Diskussion zu bringen“, erläutert
Malsch, „ansonsten läuft es darauf hinaus, dass Menschen, die nicht
unmittelbar da drinstecken, darüber entscheiden sollen. Und das ist ein
Stück weit eine Hierarchisierung“.
Auch sieht das nflb durch die Kriterien des Preise die sprachliche
Diversität nicht berücksichtigt. „Man nimmt nach wie vor zu wenig zur
Kenntnis, was für eine reichhaltige Szene an Literatur es in Berlin gibt,
die eben nicht auf Deutsch verfasst und auch nicht zwangsläufig übersetzt
wird“, kritisiert Moritz Malsch in diesem Zusammenhang.
Es ist deutlich: Der erste Berliner Verlagspreis steht auf dem Prüfstand.
Daniel Bartsch, der Pressesprecher des Kultursenators, verkündet derweil:
„Selbstverständlich wird es im Anschluss eine Auswertung und Evaluierung
geben, die eventuelle Kritikpunkte und mögliche Nachbesserungen aufzeigt.“
Die anderen Bundesländer, die ähnliche Preise vergeben, werden sicherlich
genau hinschauen, wie es in Berlin weitergeht.
11 Jun 2018
## AUTOREN
Mirjam Ratmann
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