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# taz.de -- Fast vergessene Lichtfigur
> Anna May Wong floh 1928 vor den rassistischen Stereotypen Hollywoods nach
> Berlin und wurde zum Star. Das Arsenal widmet der Ikone eine Werkschau
Bild: In „Shanghai Express“ (Josef von Sternberg, USA 1932) wird Anna May W…
Von Ludwig Lugmeier
Anna May Wong kam am 3. Januar 1905 in Los Angeles zur Welt, als Tochter
chinesischer Eltern, die eine Wäscherei unterhielten. Ihre Kindheit wurde
durch amerikanische Gesetze und chinesische Sitten bestimmt. Der „Chinese
Exclusion Act“, den der Kongress verabschiedet hatte, um Amerika frei von
Chinesen zu halten, stempelte sie zur Person zweiter Klasse. Chinesische
Sitten legten sie fest auf Familie und Ehe. Unter diesen Bedingungen wuchs
sie heran. Der Ausweg zeichnete sich in Filmen aus Hollywood ab. Und Anna
May gierte nach „flickers“, denn im Kino fand sie, was das Leben verwehrte:
Liebe, Leidenschaft, Glück. Was sie sah, spielte sie vor dem Spiegel nach
und imaginierte sich dabei als Hollywood-Star.
Ihr Vater, der sie mit dem Bambusstock schlug, um ihr den Film
auszutreiben, konnte ihren Willen nicht brechen. 1919, als Albert Capellani
„The Red Lantern“ drehte, in Chinatown, bei Anna May um die Ecke, trug sie
die Laterne. Da ist Anna May dreizehn. Als Gage erhält sie 7.50 Dollar pro
Tag, immerhin 1.50 Dollar mehr als die anderen Komparsen. In „Bits of Life“
(1922) wird ihr Name zum ersten Mal im Nachspann erwähnt. Hollywood hat sie
entdeckt, die schöne, zierliche, 1 Meter 55 kleine Anna May Wong, die
Rollen nicht spielt, sondern lebt.
Die Hälfte der sechzig Filme, in denen Anna May Wong Rollen besetzt, sind
heute verschollen. „The Toll of the Sea“ (1922) überstand die Jahrzehnte
und wird wieder gezeigt im „Arsenal“ am Potsdamer Platz. Der Film wurde von
Chester M. Franklin als früher Farbfilm gedreht, in
Zwei-Farben-Technicolor, weshalb die Blautöne fehlen. Anna May fiel die
Hauptrolle zu als einer Mutter, die ihren kleinen Sohn opfern muss. Eine
schwierige, emotional geladene Rolle, wofür ihr das Filmmagazin Variety“
die Note „extraordinarily fine“ zuerkannte. Die New York Times forderte,
dass sie weitere Rollen bekommt. „She should be seen again and again on the
screen.“ Und zu sehen ist sie wieder und wieder. In „The Thief of
Bagdad“(1924) als mongolische Sklavin. Als Tiger Lily in „Peter Pan“
(1924). Als Tänzerin in „The Chinese Parrot“ (1927).
Anna May Wongs Karriere wirkt wie dem Kopf eines Autors entsprungen, der
ein Drehbuch über Hollywood liefert. Die Traumfabrik befreit eine kleine
Chinesin, Produzenten bemühen sich um sie, Regisseure bieten ihr Rollen,
sie spielt in erfolgreichen Filmen und avanciert zum Hollywood-Star. Doch
die Story hat einen Haken. Für ein „yellowface“ gelten besondere Regeln. So
ist ihnen verboten, Weiße zu küssen, geschweige mit einem Weißen die Ehe zu
schließen.
Der rassistische Kodex legte Anna May fest auf Stereotype. Sie fühlt sich
missbraucht, wehrt sich, kämpft, packt ihre Koffer, schüttelt den Staub von
den Füßen, überquert den Atlantik und fährt nach Berlin. Karl Vollmoeller,
Archäologe, Schriftsteller, Rennfahrer, Filmpionier, führt sie in
Babelsberg ein. Richard Eichberg dreht mit ihr Filme: „Song“ (1928)
„Schmutziges Geld“ (1928), „Großstadtschmetterling“ (1928/1929), und s…
muss nicht mehr sterben, ja, sie darf sogar küssen. Walter Benjamin
verfasst ein Essay über sie, wobei er ins Schwärmen gerät: „Das Gewebe war
göttlich angelegt, aber das Gesicht war noch feiner.“ Von den Filmen, die
in der Folge entstanden, sticht „Piccadilly“ (1929) hervor. André E. Dupont
dreht ihn in London und thematisiert den Rassismus. Josef von Sternberg
macht sie vollends zur Heldin – in „Shanghai Express“ (1932) neben Marlene
Dietrich.
Zwischen zwei Kulturen gesetzt, suchte sie die Wurzeln der Herkunft. 1936
reiste sie auf der S.S. President Hoover nach China, um in Peking Mandarin
sowie die traditionelle Schauspielkunst zu studieren. Die chinesische
Presse fiel über die Amerikanerin her. Als Anna May sich an die
Öffentlichkeit wagte, wurde sie als amerikanische Hure beschimpft, und in
Chang On flogen Steine. Sie brach weinend zusammen. Hollywood wiederum wies
die Chinesin zurück. 1937, als Sidney Franklin Pearl S. Bucks Roman „Die
gute Erde“ verfilmte, war die weibliche Hauptrolle mit der Deutschen Luise
Rainer besetzt. Anna May Wong schien der MGM zu chinesisch, und wie sehr
hatte sie doch gewünscht, O-Lan darzustellen, Mutter und die Frau eines
chinesischen Bauern!
Krieg in Europa und Asien. Anna May spielte dagegen an in „Bombs Over
Burma“ (1942), in „Lady From Chungking“ (1942), spendete Geld für die
Opfer, schickte Lebensmittel und Kleidung. Sie trank, wurde krank,
Leberzirrhose, Operationen, über ein Jahrzehnt keine Filme, zuletzt nur
noch ihr Name im Abspann von „The Savage Innocents“ (1961). Die Rolle wurde
schon von einer anderen gespielt. Nach ihrem Tod am 2. Februar 1961 krähte
kein Hahn mehr nach Anna May Wong, der bedeutendsten
amerikanisch-chinesischen Schauspielerin der Vereinigten Staaten.
Anna May Wong – Star, Ikone, Grenzgängerin: 1.–29. 6., Kino Arsenal,
[1][www.arsenal-berlin.de]
31 May 2018
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## AUTOREN
Ludwig Lugmeier
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