# taz.de -- der rote faden: Überall Schuld und fast nirgends eine Entschuldigu… | |
Durch die Woche mit Klaus Raab | |
Im Garten vor dem Weißen Haus ist dieser Tage eine Art Schluckloch | |
aufgetaucht. Der Rasen ist auf einer Fläche von einem Quadratmeter | |
eingesunken, den Fotos nach etwa einen halben Meter tief. Die Frage ist nun | |
natürlich, wer oder was daran schuld ist. Womöglich der US-Präsident | |
selbst, dessen Amtszeit von einer moralischen und geistigen Leere | |
gekennzeichnet ist, die sich nun folgerichtig in seinem Garten fortsetzt? | |
Die einen sagen genau das. Die anderen aber, die es eher mit | |
naturwissenschaftlichen Erklärungen halten, behaupten, schuld am Loch | |
könnte der Niederschlag sein: viel Regen, viel weiche Erde, Loch im Rasen. | |
Wer schuld ist – das ist eine nicht übertrieben intellektuelle Frage. Man | |
könnte das Thema sicher auch in anderen Kategorien erörtern. Aber auch das | |
gehört zu den Charakteristika der Trump-Ära: dass immer jemand schuld sein | |
muss, so komplex die Lage auch sein mag. | |
Auch als der US-Präsident nun spontan den „historischen“ Nordkorea-Gipfel | |
wieder abgesagt hat, hatten es selbstredend wieder andere verbockt: | |
Nordkorea. China. Frühere US-Präsidenten, die das Problem nicht einfach | |
schon früher gelöst haben. Die Schuldzuweisung ist Trumps Lösung für alle | |
Fragen: Mit dem Finger auf jemanden zu zeigen ist ihm Analyse genug. | |
Es ist aber denkbar, dass Trump damit selbst nur einem Trend folgt. Statt | |
der schwer beantwortbaren, aber viel wahrhaftigeren Frage nach den | |
Zusammenhängen wird die Schuldfrage längst auch im zivilgesellschaftlichen | |
Diskurs wieder gestellt, bei allen möglichen Themen. Anders als im Gericht | |
und in der Kirche – den Orten, an denen die „Schuld“ gut aufgehoben ist �… | |
gibt es hier allerdings keine Instanz, die darüber entscheiden kann, welche | |
Partei sich schuldig gemacht hat und welche Strafe auszusprechen ist. Die | |
Schuldzuweisung dient nur der Selbstvergewisserung: wieder mal recht | |
gehabt! Aber ein Erkenntnisgewinn lässt sich mit ihr nicht verbinden. | |
Der Kollege Christian Bartels sprach im Blog „Altpapier“ (für das ich auch | |
schreibe) dieser Tage von einem „Trend, für alles, was schärfere Kritik | |
verdient, eine Entschuldigung einzufordern“. Wobei er diesen Trend „gaga“ | |
findet. Entschuldigungsforderungen sind ja auch nichts anderes als | |
Schuldzuweisungen mit der Aufforderung zum Kniefall. | |
Eine solche Entschuldigung wurde etwa vom ZDF gefordert, das in einer Art | |
von der Adelshochzeit in London berichtet hatte, die, zunächst bei | |
Twitter, reihenweise missbilligt wurde. Von „rassistischen und sexistischen | |
Stereotypen“ war dann in der taz die Rede; reihum ging das Thema | |
schließlich durch viele Medien. Und der Hinweis, dass sich das ZDF „nicht | |
entschuldigt“ habe, schon gar nicht „offiziell“, fehlte kaum irgendwo. | |
Was war geschehen? Ein vierköpfiges Team von Royal-Wedding-Fachnasen hatte | |
die Hochzeit kommentiert. Für Unmut sorgte vor allem, wie über die Braut | |
gesprochen wurde – Meghan Markle, eine US-Schauspielerin mit schwarzer | |
Mutter. Sie versprühe „afroamerikanischen Esprit“, hieß es etwa. Der Chor | |
in der Kirche habe schön „schwarz“ gesungen. Man freute sich über das „… | |
gemischte Paar“. Ja, hm, puh! Tatsächlich fühlte man sich stellenweise in | |
den Tripadvisor-Kommentar eines unbedarften Touristen aus Neu-Ulm gebeamt, | |
der zum ersten Mal eine Jazzkneipe in New Orleans besucht hat und nun | |
schreibt, wie wunderbar „exotisch“ dort alles sei. Man hörte weißen | |
Menschen, die sich mit den gesellschaftspolitischen Debatten der | |
vergangenen Monate bis Jahre nicht übertrieben hartnäckig beschäftigt zu | |
haben scheinen, dabei zu, wie sie vier Stunden Programm teils flapsig, | |
teils verkrampft im Sound bunter Blätter vollschwätzten. Fehlte nur | |
Buttercrèmetorte. | |
Es spricht also nichts dagegen, die Formulierungsarschbomben in | |
Fettnäpfchen, die es binnen der vier Stunden Fernsehübertragung gab, als | |
solche zu benennen. Aber eine Entschuldigungsforderung scheint mir doch ein | |
Zeichen einer immer weiter um sich greifenden Affektsteuerung zu sein: Da | |
hat sich jemand schuldig gemacht – auf ihn! Erkenntnisbringender wäre doch | |
ein Auseinandersetzungsversuch mit dem, was eigentlich über das Paar | |
ausgesagt wurde. Dass Meghan Markles Herkunft immer wieder betont wurde, | |
vielleicht zu oft, ist richtig. Aber doch, weil sie in den Superadel | |
einheiratet, in dem es um nichts anderes geht. Und dass mit ihr eine | |
nichtweiße Frau in die ewig weiße, verknöcherte britische Königsfamilie | |
einzieht, wurde sehr wohlwollend festgehalten und als überfälliger | |
Modernitätsgewinn verbucht. | |
Von der Twitter-Userin, die behauptete, „so viele rassistische Parolen“ wie | |
während der Fernsehübertragung habe sie „seit dem NPD-Parteitag nicht mehr | |
gehört“, kann man aber eigentlich nur eines mit Sicherheit sagen: dass sie | |
noch nie auf einem NPD-Parteitag gewesen ist. | |
Nächste Woche Johanna Roth | |
26 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Klaus Raab | |
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