# taz.de -- „Herr Power – das hat so gutgetan!“ | |
> Brighton Power, 24 Jahre, wohnt in Ehingen, Schwäbische Alb. Ihm ist es | |
> wichtig, dass sich die Leute bemühen | |
Protokoll Lisa Becke | |
Gehst du aufs Damen- oder aufs Herrenklo?“, war für mich lange Zeit eine | |
der schlimmsten Fragen. Schlimm deshalb, weil mir diese Entscheidung, bevor | |
meine Brüste entfernt wurden, selbst auch schwergefallen ist. Jedes Mal. | |
Nehme ich die Tür oder die? Ich bin ein Mann, aber meine Brüste waren | |
eindeutig zu erkennen. Egal welche Toilette, ich wurde komisch angeschaut. | |
Jedes Mal hatte ich Angst, dass ich rausgeworfen werde. Es hat lange | |
gedauert, bis ich mich getraut habe, aufs Männerklo zu gehen. Das dann von | |
anderen unter die Nase gerieben zu bekommen, war schrecklich. | |
„Stehst du jetzt auf Frauen oder auf Männer?“, ist noch so eine Frage, | |
total unangebracht. Ich frage ja auch nicht jeden Menschen, auf wen er oder | |
sie steht. Die sexuelle Orientierung hat nichts mit Transsexualität zu tun. | |
Das Verletzendste aber, was je jemand zu mir gesagt hat, kam letztes Jahr | |
von einem Mitschüler aus der Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher: „Du | |
bist ja noch kein richtiger Mann.“ Ich weiß schon gar nicht mehr, in | |
welcher Situation er das gesagt hat, aber an den Satz kann ich mich sehr | |
gut erinnern. | |
Mit meinen Freunden habe ich aber großes Glück, sie haben toll reagiert, | |
als ich das erste Mal mit ihnen darüber gesprochen habe. Ich bin nicht | |
wirklich in der Trans-Community drin. Ich kenne zwei andere trans Männer, | |
mit denen ich regelmäßig Kontakt habe. Dass ich die zwei kenne, ist gut. | |
Aber mehr braucht es für mich nicht. Ich lebe einfach mein Leben. Ich habe | |
auch gar keine Zeit, jeden Tag fünf Stunden zu chatten und mich mit anderen | |
trans Frauen oder trans Männern zu vernetzen. Solche Treffen gibt es in | |
Großstädten, aber bei uns im Dorf nicht. Sprachlich bin ich da auch nicht | |
so drin, das ist mir nicht so wichtig. Ich weiß zum Beispiel gar nicht, was | |
dieses „Trans-Sternchen“ bedeutet. Ich will am liebsten als Mann bezeichnet | |
werden, ich bin ein Mann. Ansonsten ist trans Mann für mich auch okay. Das | |
Mindeste ist, dass jeder über mich mit dem männlichen Pronomen spricht. Ich | |
möchte einfach immer als „er“ bezeichnet werden. | |
Dass manchmal Fehler passieren, ist auch klar, das kann ich verstehen. Wenn | |
du 18 Jahre lang deinen besten Freund mit einem bestimmten weiblichen Namen | |
angesprochen hast, dann ist das schwer abzustellen. Aber den Namen, den ich | |
bei der Geburt bekommen habe, will ich einfach nicht hören. Ich bin ja | |
nicht der weibliche Name, ich bin der Mann. Ich habe so dafür gearbeitet, | |
dass es so ist. | |
Ich bin in einem Heim aufgewachsen und habe es da lange niemandem erzählt. | |
Das erste Mal habe ich etwas gesagt, als ich 18 Jahre alt war. Da wurde ich | |
aber nicht ernst genommen. Die Betreuer im Heim dachten, das ist eine | |
Phase. Mit 21 war ich dann an dem Punkt, dass ich so nicht mehr weiterleben | |
wollte. Ich bin mit einem Kasten Bier zu meinem besten Freund und habe ihm | |
alles erzählt. Wir haben dann einen Psychologen gesucht, der sich damit | |
auskennt. | |
Der Psychologe hat mich direkt mit „Herr Power“ angesprochen, das hat so | |
gutgetan! Seit zweieinhalb Jahren habe ich jetzt meinen neuen Vornamen, | |
mein Umfeld hat das anerkannt. Ich stehe also da und habe das alles | |
geschafft … und wenn dann jemand den alten Namen sagt, das macht alles | |
kaputt. Mir ist es deshalb wichtig, dass sich jeder bemüht und das ernst | |
nimmt. Wenn das der Fall ist und trotzdem mal was Falsches rausrutscht, | |
dann kann ich aber auch mit ihm gemeinsam darüber lachen. | |
Nervig war immer, dass viele Leute, die ich kennengelernt habe, irgendwie | |
unsicher waren und sich nicht getraut haben, mich darauf anzusprechen. Das | |
habe ich aber immer ganz genau bemerkt. Dann habe ich das selbst | |
angesprochen und kurz zehn Minuten oder so alles erklärt. Es ging mir | |
darum, Unklarheiten zu beseitigen und dann einfach ein normales Gespräch zu | |
führen. | |
Auf der anderen Seite: Ganz direkte Fragen von Menschen, die ich gerade mal | |
zwei Minuten kenne, sind auch nicht okay. Mit Leuten, die mir nahestehen, | |
rede ich sehr gern zum Beispiel über die Geschlechtsangleichung. Wenn es | |
aber der Kumpel einer Freundin ist, den ich eben auf einer Grillparty | |
kennengelernt habe, dann will ich nicht über so intime Sachen sprechen. | |
Die bürokratische Prozedur in Deutschland ist schlimm. Die | |
Personenstandsänderung ist wirklich ein riesiger Akt, auch mit den ganzen | |
psychologischen Gutachten, die man dafür braucht. Ich fand mich in der | |
Situation wieder, dass ich mit Testosteron angefangen hatte, aber noch der | |
weibliche Name im Pass stand. Da habe ich mich gefühlt wie ein | |
Zwischenmensch. Ich wusste gar nicht mehr, wie ich mich vorstellen sollte. | |
Da fehlen dir selbst die Worte. | |
12 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Lisa Becke | |
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