# taz.de -- Himbeergehirneund Technoparty | |
Abends bei Penny in Neukölln, an einem Samstagabend vor dem | |
Pfingstwochenende, denkt man, Donald Trumps Wurstfinger ist auf den roten | |
Knopf abgerutscht und wir haben ab morgen den totalen Atomkrieg. Kurz: Es | |
ist supervoll. Mein Einkauf fürs Wochenende besteht aus einer Flasche | |
edelstem Penny-Gin, Tonicwater, Sterni und Aufstrich. Nach gefühlten drei | |
Jahrzehnten später wird abkassiert. Endlich raus. | |
Das, was gemein als Vortrinken bezeichnet wird, findet heute bei mir zu | |
Hause statt. Über eine kleine türkise Musikbox spielt meine Mitbewohnerin | |
irgendwas Jazziges ab. Der Gin steht im Gefrierfach, die erste Freundin | |
kommt zu früh. Ich bin noch mit Umziehen und wenigstens eine Strumpfhose | |
ohne Loch zu finden beschäftigt. Ich versage dabei und entscheide mich für | |
eine, bei der mein Zeh nicht komplett aus dem Loch fällt. Schick. | |
In der Küche zückt meine Freundin schon ein kleines grünes Fläschchen aus | |
ihrem Jutebeutel. Es ist Wodka. Sie trinkt ihn ausschließlich pur, um, wie | |
sie betont, keinen Kater zu bekommen. Meine Mitbewohnerin und ich | |
bevorzugen dagegen die softe Variante und trinken unseren Gin Tonic mit | |
gefrorenen Himbeeren. In die Gläser kommen dicke rosa Strohhalme, die bald | |
verboten werden sollen, weil Meerestiere daran wohl ersticken. Na toll, | |
erst Mentholzigaretten mit Druckknopf und jetzt rosa Plastikstrohhalme? Für | |
mich klingt das wie Symptome bekämpfen, anstatt das Problem bei der Wurzel | |
zu packen und dafür zu sorgen, dass rosa Strohhalme erst gar nicht im Meer | |
landen und Schildkröten zum Ersticken bringen. | |
Das Jazzgeklimper macht mich müde, es wird auf eine achtziger Playlist von | |
Spotify zurückgegriffen, dazu macht Trinken viel mehr Spaß. Es klingelt an | |
der Tür. Ein anderer Freund tritt über die Türschwelle. Er trinkt Sterni. | |
Nun gehen die Gespräche in Richtung Shakira. Wow, es gibt bei Spotify ein | |
Album, auf dem sie noch mit braunen Haaren abgebildet ist. Wakawaka geht’s | |
statt nach Afrika zum Kühlschrank. Die Gläser werden wieder mit Gin und | |
Tonicwater befüllt, die andere Freundin bleibt hartnäckig bei Wodka. | |
Langsam sehen meine Himbeeren aus wie kleine matschige Gehirne. | |
Es wird Zeit weiterzuziehen. Meine Mitbewohnerin weigert sich, sie ist zu | |
müde. Wir ködern sie mit freiem Eintritt und dem Vorwurf, sie sei | |
langweilig geworden, weil sie früher selbst in Pyjama und Schlappen | |
mitgekommen wäre. Jetzt ist sie Teil der Partycrew. Rote Farbe ist auf | |
ihren Lippen, zwischen denen eine Selbstgedrehte steckt, und wir sind | |
bereit loszuziehen. | |
Schnell die S-Bahn von der Sonnenallee erwischen und nichts vom Gin Tonic | |
to-go aus der Plastikflasche zu verschütten ist eine wahre Kunst, die wir | |
beherrschen. Geschafft. Landsberger Allee, wir sind fast da. Für ein | |
anderes Magazin muss ich zur Eröffnung eines Clubs mit Kunst und Biergarten | |
gehen. Noch zehn Minuten laufen und unsere Mischung ist leer. Keine | |
Schlange. Schlechtes Omen. | |
Drinnen ist alles nur halb so aufregend wie auf den Bildern bei Facebook | |
und die in Schwarz dreinschauenden Gestalten lassen vermuten, dass das | |
nicht die Art von Party nach meinem Geschmack sein wird. Aber egal, | |
open-minded und so. Rein zum Tanzen. Nach zehn Minuten Robotertanz vergeht | |
mir schon die Lust auf die Technomusik. | |
Wieder raus. In meiner Manteltasche ist noch die kleine grüne Wodkaflasche | |
versteckt, welch ein Triumph, dass sie die nicht erwischt haben. Freudig | |
wird sie im Kreis herumgereicht. Nach zwei Stunden reicht es uns. Wir | |
tapsen zurück. Auf zum Schönheitsschlaf in der Ringbahn. | |
22 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Daryna Sterina | |
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