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# taz.de -- Herzblut in der Herzbergstraße
> Beim „art. talking business“ im Liebermann-Haus ging es um das Gewerbe
> und die Kunst
Von Silke Kettelhake
Die Herren in dunklen Anzügen, der Kunstsammler Axel Haubrok, 67, Thorsten
Wöhlert, 57, Die Linke, Staatssekretär unter Klaus Lederer für Kunst und
Kultur, bilden Front gegen Birgit Monteiro, SPD, Lichtenberger
Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung, Soziales, Wirtschaft und Arbeit.
In die feine Adresse der sparkassenbetriebenen Stiftung Brandenburger Tor
im Liebermann-Haus am Pariser Platz kommt die 49-jährige gelernte
Traktoristin im leuchtenden Blaumann, Aufschrift über der Brust: Mäzenin
für das Gewerbe. Hintergrund: Seit Wochen kämpft die
Geschichtswissenschaftlerin und Germanistin gegen einen Imageschaden an,
den sie selbst mit initiiert hat.
Kurz vor Beginn des frühjährlichen Gallery Weekend bedachte sie Axel
Haubroks „Fahrbereitschaft“ in die Herzbergstraße 40–43 mit einem
Ordnungswidrigkeitsverfahren samt Strafandrohung von 500.000 Euro bei
weiterem Ausstellungsbetrieb. Da war aber der Tweet von Klaus Lederer
längst im Umlauf, was Haubrok mache, fände er ziemlich cool. Der tourte als
Lobbyist in eigener Sache durch die Politlandschaft Berlins, traf Michael
Müller, um seinem in Lichtenberg-Nord-Ost gelegenen Gelände den nötigen
Schubs in Richtung Zukunft zu geben: Publikumszulauf will er, plus endlich
die Baugenehmigung für eine 600 qm große Ausstellungshalle des
Stararchitekten Arno Brandlhuber; Bezirksbürgermeister Michael Grunst und
Klaus Lederer sagten ihm diese schon zu.
Birgit Monteiro: „Wer ein Haus bauen will, der geht zum Bauausschuss, nicht
zum Regierenden Bürgermeister.“ Mittels der Strafandrohung wollte sie ein
klares Zeichen setzen, dass Politik eben nicht von oben gemacht wird, dass
der Rechtsstaat seine Mittel einsetzt, dass das Baurecht für alle Menschen
gleich gilt und die Gentrifizierung nicht durch einen finanzstarken Akteur
gepusht wird.
Seit 1995 hat Lichtenberg ein Drittel der Gewerbetreibenden verloren, es
tobt ein harter Konkurrenzkampf um die Gewerbeflächen, deren Preise sich
allein nach Angebot und Nachfrage richten – ein gesamtstädtisches Problem.
In der aktuellen Debatte vermisst Monteiro die Stimme der IHK sowie der
Wirtschafts- und der Stadtentwicklungssenatorin. Das Gewerbe sei eben nicht
so gut vernetzt wie Axel Haubrok, der es bisher nicht für nötig gehalten
habe, für seinen Ausstellungsbetrieb einen Antrag auf Ausnahmeregelung nach
Paragraf 34 Baugesetzbuch zu stellen. Also konnte das Bezirksamt nicht
reagieren; andere Initiatoren, Künstler aus der ehemaligen Margarinefabrik
HB 55, agierten hier gesetzeskonformer.
Haubrok will Kunst zeigen, nicht mit ihr handeln, einen internationalen Ort
schaffen, wie Miucchia Prada in ihrer ehemaligen Schnapsfabrik in Mailand.
Der Volkswirt beschreibt seinen Industriestandort als „ganz einmalig“, mit
90 Prozent gewerblichen Mietern, darunter 25 Prozent Ateliers, der
Quadratmeterpreis zu 6 beziehungsweise 7 Euro, im Brandlhuber-Trakt, der
das Gelände südlich abschließt.
Sein Herzblut habe er in die „Fahrbereitschaft“ gegeben, einen ehemaligen
Fuhrpark des MfS mit Westautos für den Westbesuch. Jetzt reicht’s ihm:
„Nach fünf Jahren möchte ich keine mündliche Duldung mehr. Das ist eine
Zumutung.“ Vielleicht, so Haubrok blümerant auf dem Podium, habe er etwas
blauäugig investiert, ein Satz, der dem Finanzexperten – seine Gewinne fuhr
er mittels Kapitalmarktkommunikation am Neuen Markt ein, 2012 verkaufte er
seine Firmen international – nicht ganz glaubwürdig gelingt, die
Wertsteigerung seiner 18.000 qm großen „Fahrbereitschaft“ liegt auf der
Hand.
Berlin will nicht länger arm und sexy sein, Thorsten Wöhlert verweist auf
den „Stadtentwicklungsplan Industrie und Gewerbe“, ein sieben Jahre altes
Papier, dringend überholungsbedürftig, und nicht unter Mitwirkung seiner
Kulturverwaltung entstanden. Die Kreativwirtschaft ist Aushängeschild und
Wachstumsmotor Berlins – und 2018 sollen die kulturellen Forderungen
erstmals mitgeplant werden? Wöhlert bietet den Bezirken „Besteckkästen“ f…
die Künstler an, gegen den „irren Verdrängungsprozess“. Da helfe das
Arbeitsraumprogramm des Senats; wie lange Berlin diese Mieten weiterhin auf
4,50 Euro „runtersubventionieren“ will und kann, erläutert Wöhlert nicht.
Aus dem gut situiert erscheinenden Publikum mahnt eine Stimme, Haubrok ja
zu halten. Schließlich ging die Sammlung Erika Hoffmann nach Dresden, die
Sammlung Marzona ebenfalls; vielleicht auch, weil Berlin es nicht geschafft
hat, den Werken und ihren Sammlern eine Heimat zu geben.
18 May 2018
## AUTOREN
Silke Kettelhake
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