# taz.de -- nord🐾thema: „Es gibt keinen lieben Gott im Klimaschutz“ | |
> Die Bremer Umweltrechtsgespräche debattieren die Umsetzung des Pariser | |
> Klimaschutzabkommens. Das Abkommen ist ein Beispiel für transnationales | |
> Recht – dabei sind gerade nicht-staatliche Akteure relevant, sagt der | |
> Jurist Claudio Franzius | |
Bild: Klagt ein peruanischer Bauer vor deutschen Gerichten gegen die Kraftwerke… | |
Von Jördis Früchtenicht | |
taz: Die Bremer Umweltrechtsgespräche befassen sich in diesem Jahr mit dem | |
Klimaschutzrecht. Was gehört zu diesem Rechtsgebiet, Herr Franzius? | |
Claudio Franzius: Das Klimaschutzrecht ist ein junges Rechtsgebiet. Neben | |
dem Umweltvölkerrecht, insbesondere dem Pariser Klimaschutzabkommen, gibt | |
es viele Gesetze, zum Beispiel das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die | |
Fokussierung auf den Stromsektor greift aber zu kurz. Es muss viel weiter | |
gefasst werden. Zudem reicht auf Bundesebene der nationale Klimaschutzplan | |
nicht aus. Das ist zu vage. Deshalb fordern Juristen, dass der Plan in ein | |
Bundesgesetz gegossen wird. | |
Für Sie ist das Pariser Klimaabkommen ein Beispiel für transnationales | |
Umweltrecht. Was bedeutet das? | |
Das transnationale zeichnet sich gegenüber dem internationalen dadurch aus, | |
dass viel stärker auf die nicht-staatlichen Akteure abgestellt wird, etwa | |
Nichtregierungsorganisationen, aber auch Unternehmen. Nicht-staatliche | |
Akteure sollen stärker in die Regulierung eingebaut werden. Sicherlich mag | |
es im Paris-Abkommen, anders als noch im Kyoto-Protokoll, keinen scharfen | |
Sanktionsmechanismus für die Nichterreichung der vereinbarten Ziele geben. | |
Das kann man als Rückschritt bezeichnen. Ich würde aber behaupten, dass es | |
ein Fortschritt ist, weil das Paris-Abkommen ganz bewusst auf | |
gesellschaftliche Kontrollen setzt. Es nimmt den Druck der Straße auf. Die | |
Hoffnung ist, dass die politische Kontrolle so stark sein wird, dass es | |
sich ein Staat nicht erlauben kann, die Ziele nicht zu erreichen. Das | |
Abkommen setzt darauf, dass man Abstand nimmt von der Vorstellung, dass es | |
so etwas gibt wie einen lieben Gott im Klimaschutz, der alles regeln oder | |
kontrollieren könnte. Die Idee ist, nicht Top-down, sondern Bottom-up den | |
Klimaschutz zu stärken. Ich halte das für keinen falschen Ansatz. | |
Nicht-staatliche Akteure prägen also die Transnationalisierung des Rechts? | |
Die Einbeziehung nicht-staatlicher Akteure ist das erste Kennzeichen. Und | |
bei einem engen Verständnis von Transnationalisierung auch das einzige. Ich | |
vertrete aber ein weites Verständnis von transnational. Denn es kommt als | |
zweites hinzu, dass die Grenze zwischen national und international | |
verschwimmt. Wir können nicht mehr sauber zwischen Völkerrecht und | |
nationalem Recht trennen, sondern müssen viel stärker sehen, dass sich die | |
Rechtsordnungen wechselseitig füreinander öffnen. So wird eingesehen, dass | |
wir eben nicht einfach alle Staaten weltweit an einen Tisch bekommen und | |
den Ausstieg aus der Kohle beschließen können – an der Stelle setzt man | |
vielmehr auf die einzelnen Staaten. Noch besser zeigt sich die | |
Transnationalisierung in den Klimaklagen vor Gericht. | |
Inwiefern? | |
So klagt ein peruanischer Bauer vor den Zivilgerichten in Deutschland gegen | |
RWE auf Unterlassung, weil der CO2-Ausstoß der RWE-Kraftwerke die Gletscher | |
über seinem Dorf schmelzen lässt. Das kann nur ein transnationales | |
Verständnis des Klimaschutzrechtes erklären. | |
Warum ist es wichtig, das Umweltrecht transnational zu denken? | |
Weil wir eben weder die eine noch die andere Ebene für allein maßgeblich | |
erklären können. Wenn wir das Umweltrecht so denken, dass wir sagen, wir | |
brauchen eine internationale Regelung mit verbindlichen | |
Reduktionsverpflichtungen für alle Staaten, dann können wir lange warten. | |
Das ist wahnsinnig mühsam und als einzig wahre Strategie auch nicht | |
empfehlenswert, denn das Abstellen allein auf die Staaten ist nicht | |
zielführend. Wie lange hat es gedauert bis zum Paris-Abkommen? Wie lange | |
hat es gedauert, bis man das Kyoto-Protokoll hatte? | |
Sehr lange. | |
Ich glaube, dass man mit einer Verknüpfung der Ebenen – der | |
internationalen, der europäischen, der nationalen – eine bessere Ordnung | |
entwickeln kann, die nicht völkerrechtlich blind ist, die aber zur | |
Erreichung der internationalen Ziele Ressourcen anzapft, die, weil sie im | |
nationalen Kontext wurzeln, den erforderlichen Maßnahmen die erforderliche | |
Legitimation verleihen können. | |
Das heißt, die Transnationalisierung schafft auch eine Verbindlichkeit? | |
Ja, weil Quellen und Ressourcen angezapft werden, die im nationalen Kontext | |
liegen. Wenn die Staaten sich international einigen sollten, aus der Kohle | |
auszusteigen – was heißt das? Trump sagt: „Das interessiert mich nicht.“ | |
Und dann? | |
Entscheidend ist, was wir national zur Erreichung der verbindlich | |
festgelegten Ziele tun. Die Ziele stehen völkerrechtlich fest, aber die | |
Umsetzung wird den einzelnen Staaten, ihren Organen und der nationalen oder | |
subnationalen Öffentlichkeit überlassen. Wenn der nationale Gesetzgeber im | |
Lichte der Ziele des Paris-Abkommens etwa den Kohleausstieg beschließt, | |
dann leistet man ihm Gefolgschaft. Anders als im internationalen Raum | |
vertrauen wir eben den staatlichen Institutionen. Und je drängender und | |
gravierender die Maßnahmen werden, desto wichtiger ist deren demokratische | |
Legitimation – und die kommt nicht aus dem Völkerrecht. Ohne das nationale | |
Recht bringt das Völkerrecht nicht viel. | |
19 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Jördis Früchtenicht | |
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