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# taz.de -- Held des Zionismus
> Aus krummem Holz geschnitzt: Tom Segev zeichnet ein vollständiges und
> ungeschöntes Bild des israelischen Gründungsvaters Ben Gurion
Bild: 1906 wanderte Ben Gurion nach Palästina aus. Das Bild zeigt ihn mit Enke…
Von Kevin Zdiara
David Ben Gurion ist mit seinem weißen Haarkranz zum israelischen Mythos
geworden. Er gilt als ehrlicher, hemdsärmeliger Gründungsvater Israels.
Dagegen steht die heutige Politikerkaste des Landes: ein wegen
Vergewaltigung verurteilter Ex-Präsident, ein wegen Bestechung verurteilter
Ex-Ministerpräsident und ein der Korruption verdächtiger amtierender
Ministerpräsident.
Waren israelische Politiker früher aus anderem Holz geschnitzt? Das ist
sicherlich eine Frage, der Tom Segev in seiner neuen, umfassenden Biografie
zu David Ben Gurion nachgeht. Denn als einer der sogenannten Neuen
Historiker hat er in seinen Büchern stets zionistische Gründungsmythen
infrage zu stellen. Mit seinem mehr als 700 Seiten starken Buch präsentiert
Tom Segev dann auch einen nicht mehr ganz so glatt gebügelten, dafür umso
facettenreicheren Ben Gurion. Die einen werden das als einen weiteren
Angriff auf den Zionismus werten, doch eine weniger ideologiegetriebene
Lektüre des Buchs zeigt, der Übervater Ben Gurion ist aus krummem Holz
gemacht.
Segev beginnt mit den Freunden Shmuel Fuchs, Schlomo Zemach und David Ben
Gurion, die bereits als Teenager im polnischen Płońsk des ausgehend 19.
Jahrhunderts zu eingeschworenen Zionisten werden. Denn, was vielen
heutzutage unvorstellbar scheint, der jüdische Nationalismus galt jungen
Juden damals als Metapher für Moderne und Ausbruch aus der Provinzialität.
Viel Platz räumt Segev dieser prägenden Freundschaft ein, die sich als ein
roter Faden durch das Buch zieht.
In den weiteren Lebensabschnitten beschränkt er sich auf Altbekanntes: Ben
Gurions erste Berührung mit dem Arbeiterzionismus, seine Auswanderung nach
Palästina im Jahr 1906 als knapp Zwanzigjähriger, das karge Leben als
Landarbeiter und sein steter politischer Eifer. Das alles präsentiert Segev
detailliert, kenntnisreich und kurzweilig.
Dabei entwirft er ein Bild von Ben Gurion, das oft einen wenig
sympathischen Menschen zeigt: machtbesessen, detail- und kontrollversessen,
unfähig zur Selbstkritik. Kein Wunder, dass er nach einer Reise in die
Sowjetunion Anfang der zwanziger Jahre von deren Führern schwärmte. Aber
Segev vermag Ben Gurions Begeisterung einzuordnen: „Nicht Lenins Ideologie
hatte es ihm angetan, sondern dessen Fähigkeit, dem Volk ein neues
Schicksal zu gestalten.“
Er lebte für den Zionismus. Viel Zuneigung und Zeit für seine Frau Paula
blieb da nicht. Stattdessen hatte er immer wieder heftige Affären, wie
Segev zeigt. Auch den Holocaust konnte Ben Gurion nur in zionistischen
Begriffen verstehen. Er sah ihn zuallererst als eine Niederlage des
Zionismus, so Segev. „Es wird bald niemanden mehr geben, mit dem man das
Land aufbauen kann“, fasste Ben Gurion seine Gedanken dazu im Dezember 1942
zusammen.
Den zentralen Konflikt für ihn bildete die Auseinandersetzung mit den
Arabern Palästinas. Seine erste tödliche Konfrontation erlebte Ben Gurion
bereits im April 1909, als die arabischen Nachbarn des jüdischen Orts
Sedschera einen seiner Bekannten ermordeten. Das prägte sein Bild von den
Arabern und wurde durch die antijüdischen Pogrome 1920 in Jerusalem, 1921
in Jaffa und 1929 in Hebron verstärkt. Zunehmend vertrat er die Position
einer „aggressiven Selbstverteidigung“ und spielte ab 1947 auch mit dem
Gedanken der Vertreibung von Arabern, die in feindlichen Orten ansässig
waren. Diesen Aspekt rückt Segev in den Vordergrund. Er gleitet hier in das
Muster der „Neuen Historiker“ ab und versucht etwas krampfhaft den Beweis
zu führen, dass Ben Gurion für eine aktive Vertreibungspolitik gegen die
arabischen Bewohner verantwortlich war. Doch am Ende kann er nicht viel
mehr als eine nebulöse „Geisteshaltung des Vorgesetzten“, für die auch Ben
Gurion verantwortlich gewesen sein soll, vorweisen.
Davon abgesehen ist Segevs Werk äußerst lesenswert, weil es neben dem
heroischen Ben Gurion auch Platz für seinen Niedergang einräumt. Dazu
gehört dann auch, dass er nach den erfolgreichen Jahren als
Ministerpräsident, in denen er zum Überleben und der Entwicklung Israels
wesentlich beigetragen hat, einen Hang zur Selbstzerstörung entwickelte.
Mit dem großen Wahlsieg 1959 begann Ben Gurions Ende, so Segev. Er agierte
zunehmend erratisch und obsessiv, baute auch körperlich und geistig ab.
Was Segevs Buch am Ende ausmacht und stark macht, ist weniger eine Lust an
der Destruktion des Mythos als vielmehr der Versuch, ein vollständiges und
ungeschöntes Bild vom Leben Ben Gurions zu zeichnen.
12 May 2018
## AUTOREN
Kevin Zdiara
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