# taz.de -- Fairer Kaffee und ökologische Funktionskleidung im Rathaus | |
> Konferenz in Berlin zu öffentlicher Beschaffung und Menschenrechten: | |
> Initiativen beklagen Unverbindlichkeit des „Nationalen Aktionsplans“. | |
> Rechtliche Spielräume werden oft nicht genutzt | |
Aus Berlin Josephine Schulz | |
Der deutsche Staat kauft jährlich Waren und Dienstleistungen im Wert von | |
rund 300 Milliarden Euro ein. Die sogenannte öffentliche Beschaffung macht | |
damit etwa 10 Prozent des Inlandsprodukts BIP aus und den Staat zu einem | |
besonders wichtigen Kunden. | |
Eine Marktmacht, die nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen vielfach | |
ungenutzt bleibt. Anfang der Woche kamen in Berlin Vertreter zahlreicher | |
Initiativen zusammen und forderten verbindliche soziale und ökologische | |
Kriterien beim Einkauf aus Steuergeld. „Die öffentliche Beschaffung ist bei | |
der Durchsetzung von menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten in der | |
Wirtschaft ein ganz wichtiger Hebel“, meint Christian Wimberger von der | |
Christlichen Initiative Romero. | |
Der Einkauf von Kommunen, Ländern und Bund reicht von Polizistenuniformen | |
über Arbeitscomputer bis hin zu großen Bauaufträgen. Laut den | |
Leitprinzipien der Vereinten Nationen zu Wirtschaft und Menschenrechten | |
sollen Staaten dort, wo sie selbst kaufen oder produzieren, mit gutem | |
Beispiel vorangehen und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten durchsetzen. | |
2016 hat die Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Regeln den Nationalen | |
Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Für | |
Menschenrechtsorganisationen war dieser eine Enttäuschung. Darin verspricht | |
die Bundesregierung, zu „prüfen, inwiefern in einer zukünftigen | |
Überarbeitung verbindliche Mindestanforderungen im Bereich Menschenrechte | |
im Vergaberecht festgeschrieben werden können“. Man wolle dazu einen | |
Stufenplan erarbeiten. Seitdem ist Ruhe und das Thema offenbar von der | |
Agenda verschwunden. „Wir haben bisher keine Vorstellung, wie dieser | |
Stufenplan aussehen soll und wann er kommt“, sagt die Koordinatorin des | |
CorA-Netzwerks für Unternehmensverantwortung, Heike Drillisch. | |
Auch als das deutsche Vergaberecht 2016 auf Grundlage progressiver | |
EU-Richtlinien geändert wurde, sah die Bundesregierung keine Notwendigkeit, | |
die Einhaltung von Menschenrechten verbindlich zu verankern. Zwar haben | |
die Beschaffer nun größere Spielräume, ökofaire Kriterien einzubeziehen, | |
aber es bleibt bei einem Dürfen. Und eine aktuelle Umfrage der Organisation | |
Femnet bei den Vergabestellen auf Bundesebene zeigte, dass die neuen | |
Spielräume dort kaum wahrgenommen werden. Gründe gibt es viele: Mitarbeiter | |
sind nicht ausreichend geschult oder stehen unter dem Druck, das billigste | |
Angebot vorzuziehen. | |
Einige Kommunen und Länder sind schon weiter als der Bund und fordern beim | |
Einkauf die Einhaltung internationaler Menschen- und Umweltrechte. Das | |
Ausmaß ist jedoch unterschiedlich, die Beschaffung in Deutschland ein | |
Flickenteppich. Mancher Bürgermeister serviert im Rathaus fairen Kaffee, | |
andere setzen auf ökologische Funktionskleidung. Der grüne | |
Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz meint: „Mit verbindlichen Vorgaben | |
könnten sich Kommunen auch besser gegen das Kostenargument wehren.“ Wer von | |
Steuergeldern letztlich welche Produkte anschafft und wie hoch der Anteil | |
nachhaltiger Einkäufe ist, weiß die Bundesregierung selbst nicht genau. | |
Eine offizielle Statistik ist nach Angaben des Wirtschaftsministeriums zwar | |
in Planung, kommt aber erst in zwei Jahren. | |
Selbst dort, wo von Bietern schon heute faire Produktionsbedingungen | |
verlangt werden, gibt es ein Problem: die Beweise. Vergabestellen | |
akzeptieren in der Regel Siegel wie den Blauen Engel, aber auch | |
Eigenerklärungen. Ein Unternehmen unterschreibt dann, dass es bestimmte | |
Standards entlang der Lieferkette einhält – überprüft wird das nicht. | |
Die Antwort der Bundesregierung sind wenige Vorzeigeprojekte in bestimmten | |
Sektoren. Das Entwicklungsministerium hat kürzlich in einer Ausschreibung | |
für mehrere hundert Computer öko-soziale Kriterien in den Mittelpunkt | |
gestellt. Bieter mussten nachweisen, dass sie zumindest beim Zusammenbau | |
der Computer und Monitore Standards einhalten. Bei den langen | |
Wertschöpfungsketten im Technikbereich finden die gravierendsten | |
Menschenrechtsverletzungen – Kinder- und Zwangsarbeit oder Vertreibungen – | |
aber oft auf den unteren Ebenen statt. Detaillierte Analysen der eigenen | |
Wertschöpfungskette bis hinunter zu den Arbeitsbedingungen in indischen | |
oder kongolesischen Minen sind teuer und aufwendig. Die politische Sorge | |
bei solchen strengeren Anforderungen wäre unter anderem ein | |
Wettbewerbsnachteil für kleine und mittelständische Unternehmen, die das | |
nicht leisten können. | |
Einen Rückschlag gibt es in Nordrhein-Westfalen: Das Bundesland strich Ende | |
März die Nachweispflicht zur Einhaltung internationaler Arbeitsrechte und | |
Umweltstandards aus dem Vergabegesetz des Landes – zur Entbürokratisierung. | |
18 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Josephine Schulz | |
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