# taz.de -- Türsteher im Krankenhaus | |
> Der Andrang in Notaufnahmen nimmt zu, häufig eskaliert die Situation. Um | |
> das Personal zu schützen, hat das Nordstadtkrankenhaus in Hannover einen | |
> Sicherheitsdienst angeheuert | |
Bild: Muss manchmal auch einfach nur freundlich den Weg weisen: Security-Mitarb… | |
Von Johanna Stein | |
Nervös rutscht sie auf ihrem Stuhl hin und her, läuft im Gang auf und ab. | |
Schließlich geht die kleine Frau wieder zum Wachmann und fragt genervt: | |
„Wie lange dauert das denn noch?“ Sie müsse sich noch gedulden, entgegnet | |
der. „Aber ich warte doch schon seit einer Stunde!“, sagt sie in | |
gebrochenem Deutsch. Dabei wird sie etwas lauter, setzt sich dann aber | |
wieder resigniert in den Wartebereich der Notaufnahme. | |
Es ist Freitagabend, halb acht. Die Arztpraxen haben seit Stunden | |
geschlossen. Wem jetzt etwas fehlt, der fährt meist gleich in die Klinik. | |
In der Notaufnahme des Nordstadtkrankenhauses in Hannover ist die Stimmung | |
angespannt: Viele Patienten müssen stundenlang warten, wenn sie nicht | |
schwer verletzt sind. | |
Weil die Situation immer öfter eskaliert, setzt das Regionsklinikum | |
Hannover in der Nordstadt seit Herbst 2017 einen Sicherheitsdienst ein. In | |
anderen Krankenhäusern gibt es Alarmknöpfe, Überwachungskameras oder | |
sogenanntes Deeskalationstraining für das Personal. | |
Rund um die Uhr bewacht nun ein Mitarbeiter der Firma W.I.S. Sicherheit + | |
Service den Anmeldebereich der Notaufnahme in der Nordstadt. Einer von | |
ihnen ist Tobias Zenker. Der 21-Jährige arbeitet seit fünf Monaten für das | |
Security-Unternehmen im Krankenhaus. „Der Wachdienst ist definitiv nötig – | |
bei dem, was man hier manchmal erlebt“, sagt er. Fast täglich werde er | |
beschimpft, Ausdrücke wie „Hurensohn“, „Missgeburt“ und „Stück Sche… | |
seien der Standard. | |
Dreimal griffen Patienten ihn auch körperlich an, verletzt wurde er dabei | |
glücklicherweise nicht. Die Patienten schlugen ihn mit den Fäusten, eine | |
ältere Frau schleuderte ihm die Handtasche ins Gesicht. Einen Betrunkenen | |
musste Zenker sogar fixieren, also mit Gurten auf ein spezielles Bett | |
fesseln. Ein solches Bett steht in der Notaufnahme immer bereit, es wird an | |
jedem Wochenende benötigt. | |
Noch gefährlichere Situationen gab es oft in der Zeit, bevor der | |
Sicherheitsdienst eingesetzt wurde. Pflegekräfte berichten von Patienten, | |
die auf das Personal losgehen, auf Türen und Fenster einschlagen oder mit | |
Gegenständen wild um sich werfen. Einmal sei ein Kollege am Kopf getroffen | |
worden, erzählt eine Pflegerin. Er verlor das Bewusstsein. Immer wieder | |
mussten die Klinikmitarbeiter andere Patienten in Sicherheit bringen und | |
die Polizei rufen. | |
Wenn Patienten ausrasten, spielen oft Alkohol und Drogen eine Rolle. „Die | |
Zwischenfälle ereigneten sich auffällig oft in den Nachtstunden und am | |
Wochenende“, sagt der Sprecher des Regionsklinikums Nikolas Gerdau. Auch | |
rund um typische Gehaltszahlungstermine wie den ersten und 15. Tag des | |
Monats seien sie vermehrt aufgetreten. | |
Doch nicht nur wegen der Betrunkenen ist die Situation in der Notaufnahme | |
abends oft besonders schwierig. Schon die hohe Anzahl an Patienten kann zu | |
Konflikten führen. In die Notaufnahme des Nordstadtkrankenhauses kommen im | |
Schnitt rund 85 Patienten pro Tag, die Stoßzeiten sind von 18 bis 21 Uhr. | |
An Freitagabenden steigt die Zahl deutlich an – um rund 45 Prozent im | |
Vergleich zum Rest des Tages. | |
„In drei von vier Fällen sind es Verletzungen, die ambulant behandelt | |
werden“, sagt Sprecher Gerdau, also oberflächliche Wunden an den Händen | |
oder am Kopf. In rund zwei Dritteln der Fälle wäre es gar nicht nötig, in | |
die Notaufnahme zu fahren. Nur jeder vierte Patient werde stationär | |
aufgenommen – wegen schwerer Verletzungen oder akuter Erkrankungen. So | |
entstehen lange Wartezeiten. Viele Patienten beschweren sich. Die | |
Security-Mitarbeiter versuchen, sie zu beruhigen. | |
Eine ältere Frau betritt den Wartebereich. An ihrem Finger klebt ein | |
Pflaster, sie hat sich beim Kochen geschnitten. Im Behandlungsraum ist sie | |
sicher nicht die Nächste. | |
24 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Johanna Stein | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |