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# taz.de -- „Man muss sich einfach treiben lassen“
> Für Wanderungen mit Kindern braucht man spannende Routen. Manuel Andrack
> gibt Tipps, wie man Langeweile und Wandertraumata vermeidet
Bild: Kletterfelsen, Höhlen und Balancier- möglichkeiten kommen beim Wandern …
Interview Jördis Früchtenicht
taz: Herr Andrack, Ihr neues Buch handelt vom Wandern mit Kindern und
stellt Wanderwege in ganz Deutschland vor. Wandern lässt einen ja zunächst
einmal an unberührte Natur und Berge denken. Wo kann man in Norddeutschland
wandern?
Manuel Andrack: Auch da gibt es immer wieder Ecken, wo man Wege findet. Das
ist so ein Missverständnis, dass es zum Wandern hügelig sein muss. Es gibt
auch spannende flache Wege. Für Kinder gilt noch mehr als für Erwachsene:
Abwechslung ist das A und O. Man sollte nicht den schnurgeraden Weg am
Feldrand wählen. Wenn ich mir den Norden anschaue, bietet sich eine
Küstenwanderung an – gerade die Steilküsten an der Ostsee. Im Buch habe ich
Spezifika herausgearbeitet, was Kindern Lust am Wandern macht – und ganz
weit oben steht Wasser. Das gibt es ja eigentlich genug in Norddeutschland.
Es gibt auch Erlebniswege, etwa den Moorpfad in Gnarrenburg bei Bremen. Auf
solchen Wegen merken die Kinder gar nicht, dass sie wandern, da gibt es was
zu gucken und zu tun. Etwa zuzuschauen, wie der Papa im Moor versinkt. Am
Ende hat man gar nicht gemerkt, dass man gewandert ist.
Sie waren viele Jahre Redaktionsleiter der Harald-Schmidt-Show und
erlangten als Sidekick von Schmidt Bekanntheit – unter anderem haben Sie in
jeder Folge ein neues Bier vorgestellt. Heute schreiben Sie Bücher und
Texte vor allem über das Wandern. Wie passt das zusammen?
Das sind keine Phasen, die messerscharf voneinander getrennt sind. Ich bin
auch schon zu Harald-Schmidt-Zeiten gewandert, da habe ich das halt in
meiner Freizeit gemacht. Irgendwann kam dann von Seiten des Verlages die
Idee, über meine Wandererfahrungen ein Buch zu machen. Dadurch bin ich da
reingerutscht – immer mehr Leute haben mir Fragen zum Wandern gestellt, ich
wurde als Wanderexperte für Wanderweg-Eröffnungen gebucht und so weiter.
Das Reagenzgläschen, auf dem Fernsehen stand, wurde mit der Zeit immer
leerer und das, auf dem Wandern draufstand, wurde immer voller.
Sie beschreiben in ihrem Buch, dass Kinder ab einem gewissen Alter in die
„Wanderpubertät“ kommen und Familienwanderungen eher ablehnend
gegenüberstehen. Auch Sie waren nach eigener Aussage 17 Jahre lang in
dieser Lebensphase. Wie sind Sie da herausgekommen?
Ja, das Ich-entscheide-selber-Alter, genau. Konkret habe ich einfach eine
Alternative zum Joggen gebraucht und dabei festgestellt, dass das Ganze
doch eigentlich wieder Spaß macht und zudem viel abwechslungsreicher ist,
als immer die gleiche Runde im Park nebenan zu joggen. Ich kriege auch oft
in Gesprächen mit, dass 30 ein magisches Alter ist, dass man da nicht mehr
so viele Partys braucht und man sich dann einfach sagt, dass das mit dem
Wandern eigentlich gar nicht so schlecht war.
Teilen Ihre Kinder Ihren Enthusiasmus?
Meine ältere Tochter ist gerade 18 geworden, die geht auch mal allein
wandern. Natürlich nicht jedes Wochenende, aber so ein, zwei Mal im Jahr
und dann eben ohne Eltern. In meiner Jugend war Wandern ein absolutes
No-go-Thema. Ich finde schön, dass das heute anders ist. Ich glaube, dass
Kinder und Jugendliche schätzen lernen, dass die Kommunikation auf
Wanderungen eine andere ist – sowohl mit Gleichaltrigen als auch mit den
Eltern. Man ist dabei immer irgendwie entspannter.
Man redet also über andere Themen als am Küchentisch?
Ja, genau. Dieses klassische über Gott und die Welt reden, das macht man
nicht am Frühstückstisch oder beim Abendbrot – entweder fehlt die Zeit oder
die Entspannung. Wenn man aber ein paar Stunden draußen ist, dann kommen
diese Themen. Ich finde sehr schön, was meine jüngste Tochter mich auf
Wanderungen fragt oder in was für Gespräche sie uns verwickelt.
Wie bringt man Kinder denn dazu, wandern zu gehen?
Prinzipiell gilt schon mal: Wenn andere Kinder dabei sind, ist das
überhaupt kein Problem. Ein Kumpel von mir organisiert im Freundeskreis
Kinderwandertage. Da sind dann sechs, acht, zehn Kinder zusammen. Die
motivieren sich gegenseitig und merken dann auch gar nicht, was wir alles
an Strecke geschafft haben. Bei Einzelkindern muss man schon Anreize
setzen. Da muss man dann in der Vorbereitung darauf achten, dass etwas
Besonderes dabei ist – eine Burg, eine Mühle, Erlebnispfade. Eine Einkehr
ist auch immer gut – sowohl für die Erwachsenen, um ein Bierchen zu
trinken, als auch als Motivationshilfe für die Kinder. Außerdem Dinge wie
Balanciermöglichkeiten am Wegrand oder Tiere am Weg. Ob das Kühe oder
Pferde auf der Weide sind oder ein Streichelzoo – die sind immer super.
Was macht man dazwischen?
Natürlich gibt es auch langweilige Situationen, wo die Kinder dann sagen,
dass ihnen die Füße weh tun und ich weiß nicht was. Dann kann man
Geschichten erzählen, ein Lied singen oder auch Spiele spielen. Und wenn
das alles nichts nutzt, dann müssen die Kinder zwischendurch mal ein
bisschen Langeweile aushalten, das schadet nicht.
Wie findet man denn geeignete Wanderwege? Man kann ja schlecht vorher alles
einmal selbst ablaufen, um zu schauen, wie hoch der Erlebniswert ist.
Man fängt natürlich vernünftigerweise in der Gegend an, in der man wohnt.
Viele Familien im Saarland etwa fahren immer zur gleichen Sommerrodelbahn.
Da kann man sich einfach mal überlegen – geht man nur rodeln oder kann man
zwischendurch eine kleine Wanderung einbauen. Oder man nimmt eine
Wanderkarte der Gegend, in der man wohnt, und schaut nach kleinen Runden,
die vielleicht spannend sein könnten. Auch im Internet kann man sich
informieren. Ein bisschen Recherchearbeit ist schon da und es kann sein,
dass der Ort anders ist als vorgestellt. Aber wenn man sich diese halbe
Stunde nimmt, ist man weniger enttäuscht, als wenn man einfach ins Blaue
hineingeht und die Kinder ein Wandertrauma bekommen, weil sie Wandern unter
„langweilig“ ablegen, da sie schnurgerade durch einen Park gehen mussten.
Eine geeignete Streckenlänge ist ebenfalls wichtig. Im Buch schlagen sie
als Faustformel Lebensalter gleich Streckenlänge in Kilometern vor. Das ist
für die Erwachsenen ja mal gerade ein ausgedehnter Spaziergang.
Man kann nicht alles haben. Und das ist dann natürlich einem gewissen
Lebensalter geschuldet. Die Kinder sind ja auch ruckizucki neun, zehn oder
elf Jahre und können dann komplette Strecken gehen. Aber es ergibt
überhaupt keinen Sinn, Kinder auf eine Hardcore-Tour mitzuschleppen. Im
Buch nenne ich ein Beispiel aus einem Kinderwanderführer, in dem eine über
20 Kilometer lange Wanderung als kinderfreundlich geführt wird. Ich weiß
nicht, was für Wandermonster die Test-Kinder waren, die da mitgegangen
sind, aber das ist mörderisch. Wenn man sich darauf verlässt und die Kinder
dann beim nächsten Mal nicht mehr mitwollen, muss man sich nicht wundern.
Beim Wandern mit Kindern müssen sich die Erwachsenen also zurückhalten.
Man muss Tempo rausnehmen. Da sollte man auch keine Scheu haben, wirklich
mal nur zwei, zweieinhalb Kilometer zu gehen. Ob das jetzt Wandern oder
Spaziergang heißt, ist doch vollkommen egal. Hauptsache, die Kinder haben
Spaß und sind draußen. Man muss sich einfach treiben lassen. Es kann auch
sein, dass man eine geplante Wanderung gar nicht zu Ende führen kann, weil
die Kinder stundenlang an einem Bach einen Damm bauen. Hoffentlich hat man
dann noch genug zu essen und zu trinken und ein paar Kekse im Rucksack, und
dann geht es wieder zurück zum Ausgangspunkt.
Was für eine Ausrüstung benötigt man denn?
Proviant ist sinnvoll und meist haben die Kinder auch Spaß daran, selbst
einen kleinen Rucksack zu tragen, etwa mit einer Trinkflasche. Es kann
natürlich sein, dass die nach 500 Metern dann total großen Durst und Hunger
kriegen und dann die Bank am Wegrand ganz toll finden, um Kekse zu essen
und ein bisschen Wasser zu trinken. Für meine jüngste Tochter ist Picknick
das Größte. Das kann auch irgendwo auf einem Stein sitzend sein. Mit Decke
findet sie es allerdings schöner, da sie es so aus den Kinderbüchern kennt.
Ein bisschen Essen sollte man also dabei haben, aber da weiß jede Familie
selbst am besten, was sie mitnimmt und was den Kindern Spaß macht
Und was macht man bei schlechtem Wetter?
Da bleibt man am besten zu Hause. Auch bei Erwachsenenwanderungen ist der
dümmste Spruch im Zusammenhang mit Wandern: „Es gibt kein schlechtes
Wetter, nur schlechte Kleidung.“ Das ist Quatsch. Es gibt auch schlechtes
Wetter, definitiv. Gemischtes Wetter mit ein paar Regenschauern ist etwas
anderes – da gibt es dann eben wetterfeste Kleidung und Gummistiefel. Aber
wenn es draußen schüttet, unternimmt man halt etwas anderes. Da muss man
sich nicht quälen.
Über sein neues Buch „Mit Kindern wandern“ (erschienen gerade bei Piper,
208 Seiten, 14 Euro) spricht Manuel Andrack am 3. Mai um 20 Uhr im
Kulturzentrum Pumpwerk in Wilhelmshaven.
14 Apr 2018
## AUTOREN
Jördis Früchtenicht
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