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# taz.de -- Mit Hulk gegen die Angst
> Eva Müller fragt in ihrem Comic „Sterben ist echt das Letzte“ nach dem
> Umgang mit dem Tod und schaut dabei auch über den deutschen Tellerrand
Von Phillipp Böhm
Die Angst vor dem Tod ist nach allgemeiner Auffassung eine Konstante des
menschlichen Daseins. Für die Protagonistin aus Eva Müllers Comic „Sterben
ist echt das Letzte!“ gibt es allerdings einen konkreten Beginn dieser
Angst: Sie sieht eine Werbekampagne der Hungerhilfe mit sterbenden Kindern
und beginnt, die Möglichkeit ihres eigenen Endes in aller Deutlichkeit zu
reflektieren.
Die Resultate sind Schlaflosigkeit und Arztbesuche. Helfen tun die nicht:
„Ich hatte Angst vor Gottes Zorn, vor Gift, vor saurem Regen, vor Erdbeben
und vorm Ertrinken.“ Diese Angst und die Frage, wie man ihr begegnen kann,
halten die acht Geschichten zusammen. Da gibt es eine Punkerin, die ihr
Leben im Gefühl lebt, „absolut unsterblich“ zu sein – bis ihr vier Zähle
wegfaulen. Da sind die streng katholischen Großeltern, die Todesanzeigen
sammeln und zu allen Beerdigungen der Umgebung fahren. Und immer wieder
taucht ein Mädchen auf, das wie eine jüngere Version der Zeichnerin
aussieht: Sie setzt sich in die „gute Stube“ der Großeltern, wo früher
angeblich Verstorbene aufgebahrt wurden, und wartet auf den Tod. Sie
fantasiert sich in Höllenvisionen hinein, wo sie von Dämonen gequält wird.
Alles, um sich ihrer Angst zu stellen.
Diese Angst ist – das wird in jeder Geschichte deutlich – eine
gesellschaftliche: Sie wird genährt von Kinderbüchern, die meinen, durch
Angst erziehen zu müssen. Sie wächst in familiären Strukturen, die sich
nicht mehr für das Diesseits interessieren. Sie entsteht dort, wo Menschen
sicher sein können, ihre letzten Monate in Einsamkeit verbringen zu müssen.
Der Comic setzt sich auch damit auseinander, wie außerhalb Deutschlands mit
dem Tod umgegangen wird, erzählt von buddhistischer Selbstmumifizierung und
Grabsteinbemalungen in Rumänien. Der Ton der Erzählung wird dabei nie allzu
schwer, es findet sich manchmal sogar leichte Ironie darin, etwa wenn die
Protagonistin über die „Leichenposition“ beim Yoga nachdenkt.
Eine Antwort, was ein besserer Umgang mit dem eigenen Sterben wäre, gibt
der Comic nicht. Doch in ihrer Auseinandersetzung mit den vielfältigen
Formen des Sterbens und der Vorbereitung auf den Tod zeigt Müller eine
Leerstelle: die Möglichkeit, ihm vielleicht nicht angstfrei, aber zumindest
nicht von Angst beherrscht zu begegnen.
Eine der vielleicht schönsten Passagen des Comics spielt in der Kindheit
der Protagonistin: Die Eltern wollen sie mit zum Gottesdienst nehmen, der
sich aber mit ihrer Lieblingsserie Hulk überschneidet. Es kommt zum Streit.
Jahre später stellt sie sich einen Faustkampf mit dem Tod vor, der sie
wieder nicht hat schlafen lassen: „Ich bin Hulk“ steht in Gedankenblasen
über ihrem Kopf, während sie zum Angriff übergeht. Der Angst stellt Müller
keine Verklärung und keine Komplizenschaft mit dem Tod entgegen, sondern
etwas sehr Diesseitiges: die Popkultur.
Eva Müller: Sterben ist echt das Letzte, Verlag Schwarzer Turm 2017, 160
Seiten, 12 Euro
17 Apr 2018
## AUTOREN
Philipp Böhm
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