# taz.de -- Musterland mit Problemen | |
> Im Rahmen von „Achtung Berlin“ läuft „A Part Of Me“, der Film von Si… | |
> Santamaria und dem Filmemacher Bilal Athimni, der die Geschichte der | |
> islamischen Radikalisierung tunesischer Jugendlicher nachzeichnet | |
Bild: Die Geschwister Basma und Nabil Foto: Daniel Krendel | |
Von Mirjam Ratmann | |
Ende der Diktatur, erste freie Wahlen, eine demokratische Verfassung: Seit | |
der Revolution im Jahr 2011 hat sich in Tunesien einiges zum Positiven | |
verändert, für viele gilt es als „Musterland“ der Region. Zugleich | |
rekrutiert der sogenannte Islamische Staat (IS) seither vorrangig junge | |
tunesische Männer für den Krieg in Syrien und dem Irak. Schätzungen der | |
Vereinten Nationen und der tunesischen Behörden gehen davon aus, dass sich | |
seit 2011 zwischen 5.000 bis 6.000 Tunesier Terrorgruppen angeschlossen | |
haben. | |
Die deutsche Regisseurin Silvana Santamaria und ihr Ehemann, der tunesische | |
Filmemacher Bilal Athimni, haben sich nun des Themas im Spielfilm „A part | |
of me“ angenommen. In der nordwestlichen Stadt Jendouba, nur 50 Kilometer | |
von der algerischen Grenze entfernt, ist der Film entstanden, der sich | |
außer mit Extremismus auch mit Migration, Homosexualität und Verlustängsten | |
beschäftigt. | |
Im Zentrum steht der 18-jährige Nabil, der eine Boxkarriere anstrebt, was | |
er vor seinem Vater geheim hält. Doch im Grunde ist der Fokus aufs Boxen | |
für ihn eine Ablenkung, denn seit einigen Monaten ist sein älterer Bruder | |
Khalil spurlos verschwunden. Auch seine jüngere Schwester Basma macht sich | |
Sorgen und versucht den Aufenthaltsort des Bruders herauszufinden. Während | |
ihr Vater die Abwesenheit des Sohns totschweigt, müssen sich die | |
Geschwister nach und nach mit dem Gedanken vertraut machen, dass Khalil | |
sich einer Terrororganisation angeschlossen hat, um in Syrien für die | |
Freiheit „seiner Brüder“ zu kämpfen. | |
## Gründe der Radikalisierung | |
„In der Region sind die Leute sehr arm, es gibt keine Firmen und keine | |
Industrie“, erläutert Regisseurin Santamaria einen der Gründe für die | |
Radikalisierung junger Tunesier. Nach der Revolution hätten sich viele von | |
ihnen der Al-Nusra-Front angeschlossen, die zunächst Teil der | |
Terrororganisation al-Qaida war, bis sie sich 2016 von dieser abspaltete | |
und dem IS anschloss. | |
In „A Part Of Me“ ist das aber nur ein Teil der Geschichte. Während Khalils | |
Familie mit seiner wahrscheinlich terroristischen Aktivität umzugehen | |
versucht, kommt der 62 Jahre alte Fareed das erste Mal seit vielen Jahren | |
aus Frankreich wieder in seine Geburtsstadt. Als Nabil und er zufällig | |
aufeinandertreffen, entwickelt sich bald eine besondere Freundschaft | |
zwischen ihnen, die beiden für gewisse Dinge die Augen öffnet. | |
Während der Film diese und andere Storylines nebeneinander her- und | |
miteinander verlaufen lässt, dominieren lange Standbilder und Kamerafahrten | |
von der Stadt und Umgebung sowie Aufnahmen von Menschen bei | |
unterschiedlichen Tätigkeiten, stets untermalt mit sphärischer, | |
orientalischer Musik. Während es die vielen Themen und parallel laufenden | |
Geschichten schwer machen, richtig in die Story einzusteigen, lesen sich | |
diese Aufnahmen wie eine Liebeserklärung an Jendouba, Land und Leute. | |
Bisweilen wirkt der Film so eher wie ein Dokumentarfilm. | |
## Malerische Atmosphäre | |
Kameramann Daniel Grendel schafft es, durch seine ruhige Hand eine beinahe | |
malerische, paradiesische Atmosphäre zu schaffen, sodass man die | |
Ernsthaftigkeit des Themas manchmal vergisst. Das Prädikat „dokumentarisch“ | |
stimmt auch deshalb, weil das Drehbuch von „A Part Of Me“ auf wahren | |
Begebenheiten beruht und viele der Schauspieler*innen ähnliche Erfahrungen | |
gemacht haben. | |
Leider helfen die eindrucksvollen Aufnahmen nicht, in dem Film wirklich | |
Spannung aufkommen zu lassen. Die Geschichte plätschert so dahin, während | |
einem als Zuschauer*in lange nicht klar ist, welche Botschaft sie | |
transportieren möchte. Ursprünglich hatte der Film als Pilot dienen sollen, | |
um das Ganze danach seriell weiterzuführen, erklärt Regisseurin Santamaria. | |
Deshalb gebe es auch so viele Charaktere und so viele Geschichten. „Dann | |
haben wir aber gemerkt, dass wir das nicht so einfach in Deutschland | |
finanziert bekommen“, fügt sie bedauernd hinzu. | |
Da der Pilot nun aber als alleinstehender Film dasteht, geht das klassische | |
Spielfilmkonzept nicht ganz auf. Es bleibt beim Pilot-Feeling: Man ist zwar | |
angefixt, dann aber enttäuscht, weil man nicht auf „Nächste Episode“ | |
klicken kann. Denn wie die Regisseurin selbst feststellt, „fängt die | |
Geschichte ja erst richtig an, wenn der Film vorbei ist“. Trotzdem ist „A | |
Part Of Me“ ein Film, der nachdenklich macht, nicht nur über Tunesiens | |
Rolle im Syrienkonflikt, sondern auch darüber, wie Migration, | |
Radikalisierung, Identität und Selbstfindung miteinander in Verbindung | |
stehen und wie schwer es für Familien von Terroristen sein muss, mit | |
Verlust und Schmerz umzugehen. | |
Im Rahmen von „Achtung Berlin“ feiert „A Part Of Me“ am 16. 4. um 19.45… | |
Babylon-Kino Premiere. Weitere Aufführungen: 17. 4., 21.15 im Delphi Lux, | |
18. 4., 17.45 im Babylon | |
16 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Mirjam Ratmann | |
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