# taz.de -- Zwischen Gefühl und Bewusstheit | |
> Fatalitäten und Ambivalenzen steckten ihn an und rissen ihn mit: Das | |
> Zeughauskino feiert den Regisseur Helmut Käutner und seinen poetischen | |
> Realismus ab heute mit einer großen Retrospektive | |
Bild: Ein Traumpaar des BRD-Kinos der 50er Jahre: Horst Buchholz und Romy Schne… | |
Von Peter Nau | |
Warum auf einmal so viel Käutner? Geburtsjahr? Sterbejahr? Es liegt kein | |
äußerer Anlass vor, und ich finde, dass so etwas eine ganz besonders schöne | |
Ehrung für einen Regisseur ist, wenn einfach nur, weil es ihn gab und weil | |
es seine Filme gibt, eine Retrospektive veranstaltet wird: mitten zwischen | |
den Jubiläumsdaten und außerhalb des Rahmens von Filmfestspielen oder | |
dergleichen. Ich werde also möglichst Abend für Abend ins Zeughauskino | |
gehen, um Unbekanntes kennenzulernen und mir Bekanntes wieder einmal | |
anzusehen. | |
Zum Beispiel „Romanze in Moll“ (1943) nach der Erzählung „Les bijoux“ … | |
Maupassant, mit Marianne Hoppe und Ferdinand Marian. Käutner, der sich | |
während der NS-Zeit ins Intime und Tragische zurückgezogen hatte, zeigte am | |
spezifisch Musikalischen, mit dem ein Komponist seine Innenwelt offenbart, | |
dass es übermaterielle Wirklichkeit gibt. Die Musik wird zum Hinweis auf | |
das Unmögliche, ist seine Übersetzung in das Mögliche. | |
In jeder Familie gibt es Dinge, über die man bei Tisch nicht spricht. Bei | |
der Zeitschrift Filmkritik gehörte das Thema „Käutner“ dazu. Vor allem na… | |
man ihm seine ambitionierten Problemfilme übel. Vereinzelt drang eine | |
Stimme aus Frankreich herüber, die aufhorchen ließ: „Gut beobachtete | |
Details“, schrieb Eric Rohmer anlässlich von „Himmel ohne Sterne“ (1955), | |
„Suspense, Form, keine oder sehr wenige schwülstige Szenen, weniger | |
überflüssige Kamerafahrten als in Käutners früheren Filmen. Eine exzellente | |
handwerkliche Qualität, in Abwesenheit eines Stils.“ | |
Helmut Käutner gilt als deutscher Flügelmann der von ihm bewunderten | |
französischen Schule des poetischen Realismus. Die depressiven Stimmungen | |
jener Filme, ihre Fatalitäten und Ambivalenzen steckten ihn an. Käutner | |
erkannte sich in seinen französischen Vorbildern, indem er sie sah und dem | |
träumerisch-halluzinativen Gang dieser Filme folgte. Mit Interesse sehe ich | |
deshalb „Unter den Brücken“ (1944/46) entgegen, der eine enge | |
Verwandtschaft mit Jean Vigos „L’Atalante“ (1934) aufweist. | |
Die Osmose zwischen Gefühl und Bewusstheit, zwischen den Sondierungen | |
überhaupt (Poesie/Realismus), tritt in den besten Filmen von Käutner | |
lebhaft hervor. Auch die Divergenz zwischen dem generell helleren Licht in | |
damaligen französischen und dem dunkleren der deutschen Filme, das bei | |
Käutner besonders auffällig wird, spielt in die Wahrnehmung mit hinein. | |
Schon Goethe rief aus: „Paris ist offen, Italien wird’s auch werden; | |
solange uns der Atem bleibt, werden wir den Künstler in das Weite der Welt | |
weisen …“ | |
Umgekehrt wurde Käutner mit „Ludwig II.“ (1955) und „Der Rest ist | |
Schweigen“ (1959) zum Vorläufer für die Visconti-Filme „Ludwig“ (1972) … | |
„Die Verdammten“ (1968). Gespannt darf man auf die beiden schwarzen | |
Käutner-Filme dieser Retrospektive sein, die zur rechten Zeit kommt: | |
„Epilog“ (1950) und „Weiße Schatten“ (1951); auch darauf, wie sich die | |
Traumpaare des BRD-Kinos der 50er Jahre im Käutner-Universum ausnehmen: | |
Ruth Leuwerik/O. W. Fischer, Romy Schneider/Horst Buchholz, Liselotte | |
Pulver/Paul Hubschmid. | |
Helmut Käutner… In der Entfernung erfährt man nur von den ersten Künstlern | |
unter den Filmregisseuren; wenn man aber diesem Sternenhimmel nähertritt | |
und die von der zweiten und dritten Größe nun auch zu flimmern anfangen und | |
jeder auch als zum ganzen Sternenbild gehörend hervortritt, dann wird die | |
Welt weit und die Kunst reich. | |
12. April bis 30. Juni, | |
Zeughauskino | |
12 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Peter Nau | |
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