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# taz.de -- nord🐾thema: Antworten auf die Hetze
> Immer mehr Menschen wollen sich gegen rechte Sprüche und Populismus à la
> AfD wehren. Aber wie geht das am besten? Solches Wissen zu vermitteln,
> das ist die Idee der „Stammtischkämpfer*innen-Ausbildung“. Die taz hat
> einen Workshop in Hamburg besucht
Bild: Was tun gegen Rassismus und rechtes Gedankengut im Alltag? Strategien gib…
Von Philipp Nicolay
Rassismus erleben immer mehr Menschen im Alltag: auf Familienfeiern, in der
Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in öffentlichen Verkehrsmitteln, im Urlaub
und natürlich im Internet. Die Kampagne „Aufstehen gegen Rassismus“ will
dagegen etwas unternehmen. Mit Workshops wie der
„Stammtischkämpfer*innen-Ausbildung“ will das Aktionsbündnis aus
Organisationen, Gewerkschaften und Parteien interessierten Bürgern Tipps
und Konzepte mit auf den Weg gegeben, wie sie in alltäglichen Situationen
auf rechte Parolen und AfD-Populismus reagieren können.
Georg Chodinski veranstaltet seit rund anderthalb Jahren diese Workshops.
Der Rentner engagiert sich ehrenamtlich bei der Vereinigung der Verfolgten
des Naziregimes – dem Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.
„Unsere Kampagne ist vor zwei Jahren entstanden, weil wir damit unbedingt
verhindern wollten, dass die AfD in den Bundestag einzieht“, sagt Georg
Chodinski. Der Zulauf der bundesweit angebotenen
Stammtischkämpfer*innen-Ausbildung ist enorm. In ganz Deutschland haben
bisher rund 7.000 Menschen daran teilgenommen, allein rund 500 davon in
Hamburg.
Strategien entwickeln
Auch an diesem Sonntagmorgen im Curiohaus in der Hamburger
Rothenbaumchaussee sind 30 Workshop-Teilnehmer*innen gekommen. Einer davon
ist Heiko Schütz aus Hamburg-Barmbek. „Bei rassistischen Parolen bleibt mir
oft im ersten Moment die Luft weg und es fällt mir dann schwer, etwas
Passendes zu entgegnen“, sagt Heiko Schütz. Er hoffe, dass er nach diesem
Workshop eine Strategie entwickeln könne, um besser zu kontern. Mit
Rassismus konfrontiert fühlt er sich vor allem im Internet.
Die 32-jährige Hamburgerin Zamina Ahmad hat selbst einen
Migrationshintergrund. „Ich bin heute in den Workshop gekommen, weil ich
nach dem Aufstieg der AfD eine veränderte Stimmung im Land bemerke“, sagt
Zamina Ahmad. Sie müsse sich manchmal doofe Aussagen gefallen lassen, wie:
Sie sprechen aber gut deutsch. Auch wenn dies im ersten Moment nicht immer
negativ gemeint ist, bleiben solche Aussagen diskriminierend.
Solche respektlosen Sprüche stören auch Workshop-Teilnehmerin Anna
Mühlmeister. „Ich werde dann oft sehr sauer und emotional, wenn ich mit
rechten Aussagen konfrontiert werde“, sagt Anna Mühlmeister. Sie möchte vor
allem lernen, wie sie auf rechte Parolen souveräner und sachlicher
reagieren kann. Oft sprachlos ist Josefine Marwehe, wenn ihr Rassismus im
Alltag begegnet. „Ich wünsche mir, dass ich nach diesem Workshop mehr Mut
habe“, sagt die Hebamme.
Sprachlos im Alltag
Die Gründe der anderen Teilnehmer, die sie in der kurzen Vorstellungsrunde
nennen, gehen alle in eine ähnliche Richtung: Sie wollen unter anderem
rhetorisch besser auf rechte Parolen reagieren können, neue Argumente
kennenlernen, spontaner kontern können, besser gegen Rassismus gewappnet
sein oder schlagfertiger in Diskussionen intervenieren. Sie alle haben
gemeinsam, dass sie in den vergangenen Monaten ähnliche Erfahrungen mit
ausländerfeindlichen Parolen gemacht haben.
Alle im Raum werden von Georg Chodinski aktiv in den Workshop
miteinbezogen. Es ist kein „Frontalunterricht“ mit Patentrezepten gegen
Alltagsrassismus. In Kleingruppen diskutieren die Teilnehmer über Erlebtes.
Danach präsentieren sie den anderen Gruppen im Plenum ihre Ergebnisse. Das
Ganze steht unter dem Stichwort Selbstklärung. Auch nachmittags heißt es:
Lernen durch Aktion. In Improvisationen schlüpfen die Anwesenden in die
Rollen von Hetzern und Behetzten.
Eine unfreiwillige Werbung für die Kampagne machte die AfD-Abgeordnete
Beatrix von Storch im Dezember bei einer Bundestagsdebatte. Sie hielt
wütend einen Turnbeutel in die Höhe mit Materialien, mit dem rechte Hetze
fachgerecht entfernt werden kann. Den Turnbeutel mit der Aufschrift „AfD?
Rechte Hetze fachgerecht entsorgen“ hatte die Kampagne „Aufstehen gegen
Rassismus“ entworfen und in Umlauf gebracht. „Nach diesem Auftritt im
Bundestag mussten unsere Kollegen viele Überstunden machen, weil so viele
neue Bestellungen für neue Beutel bei uns eingingen“, sagt Georg Chodinski.
Neben weiteren Workshops, die in kommenden Wochen und Monaten veranstaltet
werden, macht das Aktionsbündnis auch immer wieder durch öffentliche
Aktionen oder Demonstrationen auf die rechte Gefahr aufmerksam. Unter
anderem wurde so schon in Eimsbüttel ein Treffen von AfD-Funktionären
verhindert. Für die anstehenden Termine im April und Juni sind noch
Anmeldungen möglich.
Nächste Stammtisch-kämpfer*innen-Termine: 7. 4., 3. und 30. 6., jeweils
10–16.30 Uhr, Curiohaus, Rothenbaumchaussee 15 (Hinterhof, Raum A),
Hamburg.
Eine Anmeldung ist erforderlich unter: [email protected]
7 Apr 2018
## AUTOREN
Philipp Nicolay
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