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# taz.de -- Stefanie Baumeister und Donata KünßbergAusgehen und rumstehen: To…
Meine Liebe, ich brauche dich.“ Ich lag schon im Bett. „Meine Liebe, ich
bin verkatert“, krächzte ich. „Aber meine Liebe“, sagte D ernst, „du m…
mich begleiten, es ist der Geburtstag von einem, der mich mal abserviert
hat“. Damit hatte D mich.
Bestes Outfit, viel Make-up, D plante, in knallgelbem Minirock zu
reüssieren. Mit zwei Pastikbeuteln voller Gin Tonic zogen wir los. „D, was
für ein Typ ist das, zu dem wir gehen?“, wollte ich noch wissen. „Hagen und
ich hatten uns vor drei Jahren über OK Cupid kennengelernt und ein paar Mal
getroffen, aber ich war ihm zu excited. Geograf. Berufsschullehrer.“
Auf dem Weg in die bürgerliche Pampa außerhalb des S-Bahn-Rings verloren
wir sofort die Orientierung: Wo zur Hölle ist die Bushaltestelle? „Moment
mal“, sagte D, „der junge Mann hat uns eingeladen, aber wir finden nicht
hin! Bestimmt schickt er uns einen Wagen, jetzt gleich.“ Man muss wissen,
dass D in Überforderungssituationen in die Rolle ihrer elitären Tante
Judith verfällt.
Ich rief ein Taxi. Die Fahrt dauerte unter zwei Minuten. Hagen, einstmals
Onlinedate, jetzt Mensch, öffnete die Tür, wir wurden mit freudigem Blick
begrüßt. Als D im Flur einige Worte mit Hagen wechselte, war es verdächtig
still. Zwischen 50er-Jahre-Stringregalen und jeder Menge Joachim Fest saßen
neun Erdkundelehrer*innen in Hagens Wohnzimmer im Kreis. Wir waren völlig
overdressed. Und overexcited.
Es gab keine weiteren Stühle, um den Stuhlkreis zu erweitern. Als wir uns
einen Fußbodenplatz gesucht hatten, neigte sich eine Lehrkraft zu uns
herab: „Und woher kennt ihr den Hagen?“ Ich hoffte einfach nur, dass D mit
der Frage nicht überfordert war und als Tante Judith antworten würde. „Wir
hatten mal ein Date.“ Auf mich deutend fügt sie hinzu: „Die auch.“
„Nein, nur ein Witz“, kläre ich panisch. Zum Glück gibt es Snacks. Ich ho…
eine Schale Nüsse aus der Mitte des Stuhlkreises, während D in ein Gespräch
mit der Lehrerin vertieft ist. Jetzt erfahren wir: Die Party steigt gar
nicht hier, sondern nachher! Ichiban Karaoke! Gruppenkabine! Ich gebe auf.
Als mich eine orange Fleecejacke nach den Nüssen fragt, deute ich einen
Wurf an. „Los, Mund auf! Fang!“ Ähnlich einer sich neigenden Erdachse
schiebt sich eine wenig erfreute Frau ins Innere des Stuhlkreises. „Ich bin
übrigens die Freundin“, sagt das Gesicht. Fun is dead. Mittlerweile ist D
aus ihrem Gespräch entlassen – die intime Schilderung sexueller
Unbehaglichkeiten mit dem Gastgeber hatte zum abrupten Ende geführt.
Kurz gefasst geschah dann noch Folgendes: Nach weiteren Drinks bot D dem
Geburtstagskind trotz allem öffentlich körperliche Behaglichkeiten an. Das
war Hagen erneut zu viel Excitement und er bestellte uns ein Taxi nach
Hause. Ich war um gute Stimmung bemüht und verabschiedete mich mit einem
generalisierten Rassismusvorwurf, weil ein Gast durch Sprachbarriere schon
den ganzen Abend an der Unterhaltung gehindert war. Die anderen wussten das
und sprachen dennoch Erdkunde.
D und ich stoppten das Taxi vor unsere Stammkneipe. Da war auch
Karaoke-Party. Wir sangen den grandiosen Pointer-Sisters-Song „I’m so
excited“. We just can’t hide it.
27 Mar 2018
## AUTOREN
STEFANIE BAUMEISTER
Donata Künßberg
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