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# taz.de -- das detail: Kackbons, ey!
Lösen Sie Ihre Sanifair-Coupons ein? Die Gretchenfrage der deutschen
Autobahn
Wie die Autobahn zu Deutschland gehört, so gehört der Sanifair-Bon zur
Autobahn. Die grünen Zettel quittieren seit 15 Jahren die 70 Cent (ehemals
50), die ein Toilettengang auf den Raststätten der Tank & Rast kostet. Als
kleiner Ausgleich für die Monetarisierung von Grundbedürfnissen wird ein
50-Cent-Coupon für Einkäufe an ebenjenen Raststätten geboten. Das dürfte
einer ZEHNTELTAFEL MILKASCHOKOLADE zu Raststättenpreisen entsprechen.
Eine vom RBB beauftragte Umfrage hat nun erhoben, dass knapp ein Viertel
der Befragten diese Bons nie einlösen, ein weiteres Viertel nur äußerst
selten. Der RBB will daraufhin ausgerechnet haben: Bei 520 bundesweiten
Sanifair-Anlagen, die je durchschnittlich 500 Leuten am Tag Erleichterung
bieten, würden im Jahr Coupons im Wert von etwa 20 Millionen Euro
verfallen. Tank & Rast kommentiert, man könne diese Zahlen nicht
nachvollziehen. Die genauen Zahlen hält die Firma unter Verschluss.
Sanifair wurde 2003 gegründet, als Versuch die Gewinnausschüttungen von
Raststätten zu erhöhen, pardon: die Hygienestandards von Raststätten zu
erhöhen. Unter der letzten Kohl-Regierung war Tank & Rast 1998 privatisiert
worden, wechselte seitdem weitere zwei Mal den Besitzer. Seit Gründung von
Sanifair war das Unternehmen in den Händen von Lufthansa, dem Apax-Fond und
der Allianz-Tochter Allianz Capital Partners, die auch seit 2015 das
Unternehmen wieder führt.
Pächter von Raststätten beschwerten sich in der Vergangenheit über die
10.000 Euro, die für Schulungen im Umgang mit dem Toilettensystem
veranschlagt werden. „Absolut üblich“, sagte das Unternehmen dazu. Weniger
Beschwerden kommen hingegen von den Benutzer*innen selbst: „Das System hat
eine hohe Akzeptanz. Die Leute bezahlen gerne 70 Cent, wenn sie denken, sie
kommen dafür auf eine saubere Toilette“, sagt Thomas Lutze aus der
Bundestagsfraktion der Linkspartei. Er initiierte vor zwei Jahren die
Kampagne „Kein Geschäft mit dem Geschäft“. Die Empörung über Sanifair, …
die Lutze gehofft hatte, blieb jedoch aus.
Die niedrigen Einlösequoten erklären sich für ihn durch die hohen Preise an
Raststätten: „Wenn ich einen Kaffee für 2,80 Euro dann halt 50 Cent
billiger kaufen kann, ist das noch immer viel zu teuer. Pro Artikel kann
ich ja auch nur einen Bon einlösen.“
Immer wieder mal kommt es zu lokalen Auseinandersetzungen zwischen
Gemeinden oder Pächtern mit dem Großunternehmen. Der Kabarettist Rainald
Grebe versuchte letztes Jahr zu klagen, musste aber eine Niederlage
einstecken. Er kündigte an, es in höheren Instanzen zu versuchen. Die
Möglichkeit zur Veränderung sieht Linkspolitiker Lutze woanders: „Der Bund
ist noch immer Eigentümer des Geländes und verpachtet dieses an die Tank &
Rast. Der hat da eine Verantwortung.“ Arved Clute-Simon
27 Mar 2018
## AUTOREN
Arved Clute-Simon
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