# taz.de -- länderfinanzausgleich: Die Mär der Überlastung | |
> Dass es zwischen den wenigen Geber- und den vielen Nehmerländern große | |
> finanzielle Unterschiede gibt, liegt auch an den Steuerverteilungsregeln | |
Ein Blick auf die neuesten Zahlen zum Länderfinanzausgleich eröffnet ein | |
bekanntes Bild: Wenige Zahlerländer – Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und | |
Hamburg – stehen einer Vielzahl an Empfängerländern gegenüber. Auch das | |
Volumen, das im Rahmen des Länderfinanzausgleichs zwischen | |
finanzkraftstarken und finanzkraftschwachen Ländern umverteilt wird, wächst | |
seit Jahren und erreichte 2017 mit 11,2 Milliarden Euro – wieder einmal – | |
ein „Rekordniveau“. Mit stetiger Regelmäßigkeit werden die Ergebnisse | |
seitens der landespolitisch Verantwortlichen – zumeist mit deutlicher | |
Zuspitzung – kommentiert. Besonders öffentlichkeitswirksam weisen in der | |
Regel die Zahlerländer auf ihre aus ihrer Sicht unverhältnismäßige | |
Belastung durch den Länderfinanzausgleich hin. | |
Anfang dieses Jahres forderte der bayerische Finanzminister und designierte | |
Ministerpräsident Markus Söder mit Blick auf den Beitrag Bayerns in Höhe | |
von 5,9 Milliarden Euro, dass das in Bayern erwirtschaftete Geld im eigenen | |
Land verwendet werden müsse. Dies suggeriert, dass der | |
Länderfinanzausgleich in einem ungerechten Maße leistungsstarke Länder um | |
die finanziellen Früchte der eigenen Arbeit bringt. Allerdings greift diese | |
Darstellung aus verschiedenen Gründen zu kurz. | |
Der erste dieser Gründe ist, dass ein angemessener Ausgleich der | |
unterschiedlichen Finanzkraft der Länder durch Art. 107 Abs. 2 GG | |
festgelegt ist und folglich Verfassungsrang besitzt. Seine Wirkung darf | |
nicht isoliert betrachtet, sondern sollte stets im Kontext der | |
verfassungsrechtlich verankerten föderativen Grundsätze der Bundesrepublik | |
Deutschland bewertet werden. Denn aus einer solchen gesamtheitlichen Sicht | |
ist der Länderfinanzausgleich kein eigenständiges Konstrukt, das | |
finanzielle Gleichmacherei als Selbstzweck anstrebt – leider vermittelt die | |
öffentlich geführte Debatte diesen Trugschluss viel zu oft. Richtig ist | |
vielmehr, dass der Länderfinanzausgleich als ein ergänzendes Korrektiv | |
dafür sorgt, dass bei grundsätzlich gleichem Aufgabenbestand alle Länder – | |
nicht nur einige leistungsstarke – in der finanziellen Lage sind, die aus | |
der Aufgabenerfüllung resultierenden Ausgabelasten zu tragen. Dass Qualität | |
und Quantität öffentlicher Leistungen von Bayern bis Mecklenburg-Vorpommern | |
nicht übermäßig divergieren, ist auch ein Verdienst des | |
Länderfinanzausgleichs und eine besondere Stärke des deutschen | |
Föderalismus. | |
Ein hinsichtlich der föderativen Gerechtigkeit viel drängenderes, aber | |
weitaus weniger beachtetes Problem liegt in Regelungen, die erst zu den | |
anfänglichen Finanzkraftunterschieden führen, die der Länderfinanzausgleich | |
anschließend reduzieren muss – gemeint sind die sogenannte Steuerzuordnung | |
und Steuerzerlegung. Von den Regeln der Steuerzerlegung, die im | |
Wesentlichen seit 1971 nicht weiterentwickelt wurden, profitieren | |
tendenziell die finanzkraftstarken Länder, während die meisten | |
Empfängerländer benachteiligt werden. Ein praktisches Beispiel: An der | |
abgeführten Körperschaftsteuer eines über Landesgrenzen hinweg tätigen | |
Unternehmens müssen konsequenterweise alle Bundesländer beteiligt werden, | |
in denen sich Betriebsstätten dieses Unternehmens befinden. Als Maßstab für | |
diese „Zerlegung“ werden die in den Betriebsstätten gezahlten Löhne | |
herangezogen. Dass mit Blick auf die Lohnniveaus Länder mit vielen | |
Unternehmenszentralen oder größeren Verwaltungseinheiten gegenüber Ländern | |
mit eher produzierenden Tätigkeiten profitieren, ist selbstredend. | |
Problematisch dabei ist jedoch, dass dieser (lohnsummenbezogene) Maßstab | |
nicht die tatsächlichen Beiträge der Betriebsstätten zum Unternehmensgewinn | |
abbildet, was eigentlich sachgemäß wäre. Im Ergebnis führen diese und | |
andere Probleme der Steuerzerlegung dazu, dass das finanzielle | |
Leistungsfähigkeitsgefälle bedeutend größer ist, als dies wirtschaftlich | |
eigentlich gerechtfertigt wäre. Die Pro-Kopf-Einnahmen Bayerns vor | |
Finanzausgleich betragen etwa 127 Prozent des Bundesdurchschnitts. Die | |
Wirtschaftskraft (BIP) des Freistaats ist mit rund 116 Prozent merklich | |
geringer. Umgekehrt ist es in Sachsen, das wirtschaftlich (77 Prozent des | |
Bundesdurchschnitts) viel stärker ist, als dies finanziell (60 Prozent) zum | |
Ausdruck kommt. Mit anderen Worten: Gemessen an der Wirtschaftskraft sind | |
die Einnahmen Bayerns bereits vor dem Länderfinanzausgleich seit Jahren | |
deutlich zu hoch (2017: um 4,9 Milliarden Euro), die Einnahmen Sachsens zu | |
gering (2017: um 2,3 Milliarden Euro). Die überdurchschnittlichen Einnahmen | |
Bayerns (und anderer Zahlerländer) sind vor diesem Hintergrund jedenfalls | |
nur teilweise die finanziellen Früchte der eigenen Arbeit, als die sie in | |
der Regel dargestellt werden, und in erheblichem Maße technisch | |
überzeichnet. | |
Bleibt noch die Frage: Werden die Zahlerländer im Länderfinanzausgleich | |
überlastet? Die Antwort lautet klar: Nein! Bezogen auf die Gesamteinnahmen | |
der Zahlerländer wurden 2017 nur 6,5 Prozent als Ausgleichsbeiträge | |
abgeführt. Auch die relative Abschöpfung von zusätzlichen Einnahmen ist | |
tatsächlich viel geringer, als dies gelegentlich suggeriert wird. Denn der | |
Ausgleichsmechanismus schöpft im Wesentlichen Teile des überproportionalen, | |
nicht jedoch des gesamten Einnahmewachstums eines Landes ab. Bereits ein | |
einfaches Rechenbeispiel kann diesen wichtigen Unterschied illustrieren: | |
Wachsen die Einnahmen aller Länder je Einwohner um 100 Euro und die Bayerns | |
um 110 Euro, beträgt die Abschöpfung der Mehreinnahmen Bayerns über alle | |
Ausgleichsstufen hinweg nicht mehr als 7 Euro je Einwohner, die restlichen | |
103 Euro je Einwohner verbleiben im Freistaat. Abschöpfungsquoten jenseits | |
von 90 Prozent – wie gelegentlich behauptet – sind hingegen nur unter der | |
spezifischen theoretischen Annahme möglich, dass die Einnahmen aller | |
anderen Länder nicht ebenfalls mitwachsen, und bleiben auch mit Blick in | |
die Vergangenheit im Bereich des Theoretischen. Eine Versachlichung der | |
Debatte und ein Ansetzen an den tatsächlichen Problemursachen sind daher | |
geboten. | |
13 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Oliver Rottmann | |
Thomas Lenk | |
Philipp Glinka | |
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